Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm
»Aber nach unserem Augenzeugenbericht, so wir diesem Machwerk auch nur den geringsten Glauben schenken dürfen, wurde Noran Karwander mit dem Schwert Cor in der Hand gefangen genommen, jedoch ohne sein Schwert geborgen. Folglich kann Ecorims Schwert unmöglich Cor gewesen sein, denn dieses war im Besitz seiner Feinde.« Der Berater des Königs kniff die Augen zusammen, als hätte er plötzlich etwas bislang Verborgenes erblickt. »Doch da gab es ja noch jene mysteriöse Kriegerin aus der ehernen Feste, die in der Nacht nach Karwanders Tod Ecorim aufsuchen wollte. Weil ihr das nicht gelang, ließ sie ihm eine Nachricht zukommen. Aber zu welchem Zweck? War es vielleicht keine geheime Botschaft, sondern lediglich ein Hinweis auf etwas, das sie ihm bringen sollte, ihr jedoch abgenommen wurde?« Abak las noch einmal den entscheidenden Abschnitt in dem Wachbericht, um seinen Gedankengang zu bestätigen: Ein Schwert, das sie bei sich trug, wurde ihr abgenommen …
»Das ist es!«, rief Abak begeistert. »Sie wird gefangen genommen und sieht keine Möglichkeit mehr, ihre Mission zu erfüllen, da ihr das Schwert, das sie überbringen sollte, abgenommen wird. Doch wohin gelangen alle im Kampf erbeuteten Stücke? Sie werden an irgendeiner Stelle gesammelt, wo dann über ihre weitere Verwendung entschieden wird. Was, wenn die junge Frau genau diese Information an Ecorim weitergab? Sie kannte ihn, sie wusste, dass er die Sprache, in der sie ihre Botschaft verfasste, verstehen würde. Und sie nahm richtigerweise an, dass es für den Heerführer ein Leichtes sein würde, sich die Waffe nach der Sicherstellung durch die Wachen zu beschaffen. So schrieb sie ihm, was ihr widerfahren war, um Ecorim wissen zu lassen, wo er das Schwert finden würde. Es war jene Schicksalsklinge, die den Ausgang der Schlacht um Arch Themur so entscheidend beeinflusste!«
Aber Abaks Gesicht verfinsterte sich sogleich wieder, während er den Gedanken weiterspann. »Wenn das Schwert, welches die Unbekannte aus der ehernen Feste mitbrachte, wirklich Cor war, warum wurde es dann nicht sogleich erkannt? Jedem in der Armee Citheons war König Norans Waffe vertraut. Selbst ein Feldwebel hätte das Schwert identifizieren können. Vielleicht nicht aus einiger Entfernung, aber doch, wenn er es in Händen gehalten hätte. Warum also hat dieser Soldat, der die junge Frau gefangen nahm und das Schwert sicherstellte, dieses nicht sofort seinem Heerführer überbracht?« Abak begann, seine Schläfen zu massieren. Langsam begann sein Kopf zu schmerzen.
»Für die Gefangene wäre es doch auch viel einfacher gewesen, den Soldaten den Grund ihrer Mission, nämlich das Überbringen des Schwertes Cor, mitzuteilen. Der wachhabende Feldwebel hätte sie doch mit Handkuss zu Ecorim geführt, wenn sich herausgestellt hätte, dass sie König Norans verloren geglaubte Waffe zurückgebracht hatte aus der verhassten Festung. Aber nein, sie ließ sich stattdessen gefangen nehmen und beschränkte sich auf das Verfassen einer ominösen Nachricht. Ganz offensichtlich wollte sie nicht, dass jemand anderes als Ecorim von ihrer Mission erfuhr.« Der königliche Berater seufzte tief und fuhr sich resignierend durchs wirre Haar.
»Und schließlich: Warum verfügte König Noran Karwander mit Cor in seiner Hand niemals über die gleiche Überzeugungskraft wie Ecorim, als er die Klinge an sich genommen hatte? Warum erlangte das Schwert erst durch Ecorim eine solch unerklärliche Macht? Lag das wirklich nur an ihm selbst?«
Abak fixierte angestrengt die stille Kerzenflamme auf seinem Schreibtisch. Dann sprach er mit gedämpfter Stimme weiter, so als wollte er nicht belauscht werden: »Der Herrscher von Skardoskoin konnte mithilfe der Macht, die ihm sein Schwert verlieh, immer aufs Neue seine Truppen dazu bewegen, für ihn in den Tod zu gehen, selbst als ein Sieg bereits vollkommen unmöglich schien. Ebenso vermochte auch Ecorim auf einmal, seinen Truppen beim finalen Sturm auf die Festung das Unmögliche abzuverlangen, obwohl sie am Abend zuvor noch beinahe das Weite gesucht hätten. Die gleiche unerklärliche Ausstrahlung bei beiden Anführern; bei beiden war die Quelle ihrer Macht offensichtlich die Waffe, die sie führten. Und beide Waffen stammten zweifellos aus Arch Themur.«
Abak schluckte.
»Das lässt nur einen logischen Schluss zu: Ecorims Schwert war nicht Cor! Cor, der Waffe Noran Karwanders, wohnte keinerlei ungewöhnliche Macht inne! Die Klinge ist vermutlich nach der
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