Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm
Gefangennahme des Königs in Arch Themur verschollen. Ecorims Schwert dagegen war in Wahrheit eben jene namenlose Waffe, welche die Unbekannte in der Nacht nach Karwanders Tod ganz offensichtlich Ecorim überbringen wollte. Wegen ihrer Gefangennahme konnte sie dieses Vorhaben jedoch nicht persönlich zu Ende führen. Durch ihre Nachricht wies sie Ecorim aber in einer nur ihm geläufigen Sprache auf den Aufbewahrungsort hin. Damit sorgte sie dafür, dass er ihr Geschenk doch noch erhielt, dabei aber niemand sonst davon erfuhr. Somit war es Ecorim möglich, am nächsten Morgen vor den Truppen zu behaupten, die Waffe in seiner Hand sei das Schwert Cor des verstorbenen Noran Karwanders. Offensichtlich sahen sich die beiden Klingen von fern durchaus ähnlich, sodass keiner daran zweifelte. Warum sollte man auch die Worte des Heerführers infrage stellen und die Klinge prüfend in Augenschein nehmen? So vereinte Ecorim äußerst geschickt den sagenhaften Ruf Cors mit der tatsächlichen Macht jener geheimnisvollen Klinge aus dem Schlund von Arch Themur.«
Erschüttert über die Gewichtigkeit der soeben beendeten Schlussfolgerungen ließ sich Abak auf seinen Hocker fallen, wo er eine ganze Weile regungslos verharrte. Durch ein aufdringliches Pochen an der Zimmertür wurde er jäh aus seiner Starre gerissen. Erzürnt über den Eindringling in seinem Reich aus Tinte und Papier, öffnete er schwungvoll die Tür.
»Was ist?«, fragte er barsch.
Vor ihm stand einer jener zahllosen Hofdiener, auf deren Dienste man in keinem Palast verzichten mochte. Dieser spezielle Bedienstete zeichnete sich allerdings durch kriecherische Unterwürfigkeit gegenüber Vorgesetzten und impertinente Arroganz gegenüber vermeintlich Untergebenen aus. Die gewagte Kombination farbenfroher Kleidungsstücke, die affektierte Ausdrucksweise und die Gewohnheit, unangenehme Körpergerüche mit erdrückenden Duftwässerchen zu übertünchen, machten seine Gegenwart zu einer Härteprobe für alle Sinne.
»Verzeiht, Euer Exzellenz«, näselte der Page, »wenn ich Euch in Eurer Studierstube aufsuchen muss, jedoch bin ich überzeugt, dass Ihr die Nachricht, die ich Euch bringe, von größtem Interesse finden werdet.« Der Diener verneigte sich heuchlerisch.
»Nun?« Der königliche Berater verschränkte ungeduldig die Arme.
Etwas aus der Fassung gebracht durch diese allzu kurze Antwort, beeilte sich der Page fortzufahren: »Ali, nun, Euer Exzellenz wird sich freuen zu hören, dass soeben der Sohn des Inselherrn von Ho’Neb im Palast eingetroffen ist und höflichst um eine Audienz bei Euch ersucht hat.«
Die Ankunft von Megas war in der Tat eine äußerst erfreuliche Nachricht, was Abak sich aber nicht anmerken lassen wollte. So entgegnete er knapp: »Also auf, dann bring ihn her, worauf wartest du noch?«
Gekränkt verbeugte sich der Diener und entschwand, um wenige Augenblicke später mit Megas im Gefolge wieder zu erscheinen.
»Der Sohn des Inselherrn von Ho’Neb, Prinz Megas Arud’Adakin!«, intonierte der Page würdevoll.
Abak entließ den Hofdiener mit einer Geste, als würde er ein lästiges Insekt verscheuchen, während er Megas in seine Studierstube bat.
»Na, du alter Bücherwurm«, begann dieser schon beim Eintreten. »Dass ich bei meiner Rückkehr die Ehre haben würde, in deiner Rumpelkammer empfangen zu werden, hätte ich nicht zu hoffen gewagt.« Megas sah sich verächtlich in dem kleinen Zimmer um. »Gibt es irgendein Buch in Citheon, das du noch nicht gelesen hast?«
»Kaum«, entgegnete Abak kühl, während er sorgfältig die Tür schloss. »Aber vielleicht sollte ich dich daran erinnern, dass Verräter und Waffenhändler normalerweise nicht im Thronsaal empfangen werden.«
Megas lachte. »Immer noch giftig, die alte Schlange! Schön, dass sich hier nichts verändert hat.«
»Ja, ja, genug der freundlichen Worte.« Abak schlug einen sachlichen Tonfall an. »Du siehst schlecht aus, Megas. Gab es Schwierigkeiten? Ich brenne darauf, über das Ende der Erenors zu erfahren.«
Das selbstzufriedene Grinsen im Gesicht des Prinzen erstarb, was dem Berater des Königs die Frage bereits teilweise beantwortete. Doch er wartete geduldig, bis dieser seine Geschichte beginnen würde.
Megas räusperte sich, sein Unbehagen war nicht zu übersehen. »Kurz gesagt, es gab Schwierigkeiten, und zwar erhebliche.« Er blickte Abak herausfordernd an, als erwarte er einen Wutausbruch, aber der königliche Ratgeber blieb stumm. Also fuhr Megas fort.
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