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Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Titel: Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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inständig, nicht irgendwo eine Steinlawine loszutreten. Das Licht der beiden Fackeln, die an der Rückseite des Lagerhauses befestigt waren, wirkte entsetzlich hell. Selbst ein halb blinder Bettler würde ihn bei dieser Beleuchtung bemerken.
    Keuchend erreichte er den kühlen Stein der Turmmauer und presste sich dagegen. Kein Alarmschrei ertönte, niemand war auf ihn aufmerksam geworden. Rai atmete durch. Eine entscheidende Etappe hatte er bereits bewältigt. Allerdings sollte es nicht einfacher werden. Er blickte nach oben. Der Fackelschein kam ihm nun zugute, denn dadurch konnte er jeden Vorsprung und jede Ritze im Mauerwerk ausmachen. Etwa sechs Schritt über seinem Kopf, ein gutes Stück höher als das Dach des Lagerhauses, befand sich eine der zahlreichen Schießscharten, die die einzigen Öffnungen in der Außenwand des Bauwerks darstellten. Diese schwarzen Löcher verbreiterten sich trapezförmig nach außen, um das Beschießen von Feinden in jedem erdenklichen Winkel zu ermöglichen. Auf der Innenseite des Turms waren diese Öffnungen nicht viel mehr als handtellerbreite Schlitze, die für einen Erwachsenen normalerweise nicht zu passieren waren. Aber Rai wusste sehr gut, wie schmal ein Durchgang sein durfte, damit er noch hindurchpasste. Das Problem war immer nur der Kopf. War der erst einmal durch, stellte der Rest kaum noch eine Schwierigkeit dar.
    Er konzentrierte sich auf die Wand vor ihm und versuchte, alle anderen Gedanken zu verdrängen. Immer nur ein Problem auf einmal! Sorgfältig tastete er nach einer geeigneten Stelle, um sich mit den Fingern in eine Mauerritze zu krallen. Dann suchte er mit seinen Fußspitzen Halt und zog sich hoch. Glücklicherweise schien das Gebäude unter den Witterungseinflüssen der Insel erheblich gelitten zu haben, denn die Mörtelbänder zwischen den Steinquadern waren an einigen Stellen bereits brüchig und die äußeren Schichten oftmals abgebröckelt. Dadurch bot die Wand reichlich Fugen, die das Klettern erleichterten. Trotzdem stellte das Erklimmen einer senkrechten Steinwand für Finger und Zehen eine extreme Belastung dar, gleichwohl zahlte sich das jahrelange harte Training an den unterschiedlichsten Tileter Häuserfassaden nun aus. Ohne große Mühe erreichte Rai die Schießscharte, die nur knapp zwei Schritt unterhalb der Turmzinnen ins Innere führte. Zu seiner Beruhigung brannte dort keine Fackel, noch war irgendein Geräusch zu hören. Der Raum schien leer zu sein. Er sicherte sich mit einer Hand an der Innenkante der Schießscharte, während er mit der anderen sein Seil von der Schulter nahm und durch die Öffnung in das Turmzimmer warf. Danach zog er sich mit beiden Händen nach vorn, bis er mit seinem Gesicht unmittelbar vor der schmälsten Stelle der Schießscharte angelangt war. Behutsam schob er seine Arme ins Innere und zwängte dann seinen Kopf durch den Spalt. Schmerzhaft schabten beide Ohren über die Mauersteine. Eine bange Sekunde lang schien sein Schädel festzustecken, aber ein energischer Ruck ließ ihn das Hindernis schließlich überwinden. Die Spalte war doch enger gewesen, als er vermutet hatte.
    Rai drehte sich jetzt, bis seine Schulter senkrecht zur Schießscharte stand, und begann dann, den Rest seines Körpers ins Innere des Turms zu ziehen. Nur Augenblicke später deutete von draußen nichts mehr auf den Eindringling hin. Er rappelte sich behände auf, duckte sich instinktiv gegen die Wand und versuchte erst einmal, den runden Raum so gut wie möglich in Augenschein zu nehmen. Sofort fiel ihm der hölzerne Boden auf, der eine äußerst leichtfüßige Fortbewegung erfordern würde, wollte er verhindern, dass verräterisch knarrende Geräusche die darunter befindlichen Wachen alarmierten. Eine ebenfalls aus Holz gefertigte, abwärtsführende Treppe befand sich in der Nähe seiner Einstiegsstelle, und über eine Leiter war die Luke zum Dach des Turms zu erreichen. In der Mitte des Raums schien eine Art Waffenständer zu stehen, in dem möglicherweise Armbrüste aufbewahrt wurden. Genaueres konnte Rai bei den schlechten Lichtverhältnissen nicht erkennen. Offensichtlich diente dieses oberste Geschoss, wie auch das Dach, in erster Linie der Verteidigung des Turms. Mehr musste er nicht wissen.
    Er nahm den mitgebrachten Strick vom Boden auf und begann so behutsam wie ein Seiltänzer, die Treppe hinabzuschleichen. Dabei hielt er sich möglichst dicht an der Wand, da die Stufen an dieser Stelle am wenigsten nachgeben würden und deshalb die

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