Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm
Lagerhaus der Garnison errichtet worden war. Es trennten sie nun noch etwa dreihundert Schritt von den beiden Bauwerken, doch Rai konnte beim Anblick der Gardisten, die auf der Spitze des Turms die schweren Armbrüste bemannten, bereits die Aufregung durch seine Adern pulsieren fühlen. Weitere hundert Schritt von dem Turm entfernt an der tiefsten Stelle der Senke war der Spalt zu erkennen, der in das Innerste des Berges führte. Dort musste er hin, allerdings war zuerst noch ein kleiner Umweg zu machen.
»So, und was jetzt?«, fragte Kawrin nach einem skeptischen Blick auf die zahlreichen Wachen am Förderkorb und auf der Plattform des Turms.
»Jetzt müssen wir erst einmal beobachten, was die Gardisten Tag und Nacht so treiben«, antwortete Rai und rieb sich die Hände. »Eine vortreffliche Gelegenheit, unseren Vorräten zu Leibe zu rücken.«
Sie suchten sich ein verborgenes Plätzchen hinter einem umgefallenen Wurzelstrunk, von wo aus Rai die Vorgänge in der Senke genau im Auge behalten konnte, ohne dabei selbst gesehen zu werden. Während er beobachtete, stillten sie ihren Hunger an dem mitgebrachten Proviant. Eine zermürbend lange Zeit geschah rein gar nichts, außer dass die Sonne sich beständig weiter dem Horizont näherte. Schließlich wurden auf der südlichen Seite der Lichtung, wo der Weg vom Hafen den Wald verließ, vier schwere Gespanne sichtbar, die gemächlich das sanfte Gefälle in die Talsenke hinabrumpelten. Sechs Ochsen zogen jeweils einen großen Wagen, dessen Fracht im Wesentlichen aus den gleichen voluminösen Flechtkörben bestand, die Rai noch aus dem Bergwerk bestens bekannt waren. Offensichtlich wurden so die Vorräte für die Minenarbeiter und wohl auch für die Gardisten angeliefert. Neben den Gespannführern begleiteten den Zug auch noch zehn Soldaten, die einen Überfall schon durch ihre bloße Präsenz vereiteln sollten. Eine halbe Ewigkeit später hatte die Wagenkolonne endlich den langen Flachbau erreicht, der sich an den Wachturm anschloss. Dort wurden die Fahrzeuge zügig von den Gardisten entladen. Dies bestätigte Rais Vermutung, dass es sich bei diesem Anbau um ein Vorratslager handelte, in dem die Nahrungsvorräte zwischengelagert wurden. Das einzig Ärgerliche war jedoch, dass er außer dem Tor an der Vorderseite keinen einzigen Eingang in das Lagerhaus erkennen konnte. Es gab weder ein Fenster noch irgendeine andere Öffnung im Mauerwerk, die ihm Zugang gewähren würde. Das machte ein Eindringen ziemlich schwierig.
Während er weiter beobachtete, wie die Soldaten nun leere Flechtkörbe aus dem Lager brachten und sie auf den Wagen stapelten, kreisten seine Gedanken beständig um jenes entscheidende Problem, wie um alles in der Welt er in das verflixte Lagerhaus gelangen sollte. Es war vollkommen ausgeschlossen, auf der dem Mineneingang zugewandten Seite unbemerkt das Schloss des Tores zu knacken, da er unweigerlich von den Wachen am Förderkorb entdeckt werden würde. Zudem wusste er noch nicht einmal, um welche Art von Schloss es sich handelte, und außerdem verfügte er über kein geeignetes Werkzeug. Die einzige Alternative, die ihm einfallen wollte, barg extreme Risiken, die er eigentlich gerne vermieden hätte.
Nach etwa einer Stunde verließen die nun erheblich leichteren Wagen die Talsenke wieder, erneut begleitet von einem Trupp Gardisten. Kurz vor Sonnenuntergang polterte dann ein weiterer kleiner Wagen, beladen mit nur vier Nahrungskörben und gezogen von zwei Soldaten, aus dem Vorratsgebäude hinab zu der Transportgondel, wo die Behälter ohne Verzögerung in der Tiefe des Bergwerks verschwanden. Einige Zeit später wurden ähnliche Körbe, diesmal jedoch gefüllt mit Eisenerz, auf dem gleichen Weg heraufgehievt und mit dem Karren auf die Brennöfen der Schmiedesiedlung verteilt. Mittlerweile war es bereits dunkel, und rings um den Spalt sowie an mehreren Stellen des Turms und des Lagerhauses wurden große Pechfackeln entzündet. Entgegen Rais Hoffnung war sogar die Rückseite des Turms erleuchtet, was eine Annäherung auch bei Nacht zu einer kniffligen Angelegenheit werden ließ. Die Gardisten auf der Turmspitze hatten zu jeder Zeit das Gelände rings um das Gebäude bestens im Blick, denn das nächste Waldstück auf der Nordseite des Turms war mindestens zweihundert Schritt entfernt. Somit konnten sie jeden, der sich näherte, nach Belieben unter Beschuss nehmen. Rai begann, auf seiner Unterlippe zu kauen. Dieses Unternehmen begann tatsächlich, zu einer
Weitere Kostenlose Bücher