Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm
Herausforderung zu werden.
»Ich muss mir die Vorderseite ansehen«, sagte er zu Kawrin.
Dieser fuhr erschrocken hoch, als er so unvermutet angesprochen wurde, da er neben dem Dieb gerade eingedöst war. Er rieb sich die Augen, warf einen kurzen Blick zu den beiden Bauwerken hinunter und meinte dann überrascht: »Wie … bei all der Beleuchtung willst du zur Vorderseite des Lagerhauses schleichen? Ich will mich ja nicht einmischen, aber das halte ich für keine gute Idee.«
»Ich muss ja nicht nah ran«, beruhigte ihn Rai. »Nur zu diesem Dickicht dort zwischen den beiden niedrigen Felsen.« Er deutete in die entsprechende Richtung. »Von dort müsste ich das Eingangstor des Lagers sehen können.«
»Aber wozu?«, erkundigte sich Kawrin immer noch skeptisch.
»Ich will einfach sehen, ob es eine Möglichkeit gibt, von vorne in das Gebäude einzudringen.« Mit diesen Worten verließ der Dieb die Deckung des Wurzelstocks und machte sich geduckt auf den Weg.
»Was willst du denn in dem Vorratslager?«, rief ihm Kawrin noch halblaut hinterher, aber der kleine Tileter war schon außer Hörweite. »Verdammter Geheimniskrämer«, brummte er ärgerlich, musste sich aber gleichzeitig eingestehen, dass er von Rais Fähigkeiten schon jetzt beeindruckt war. Der rätselhafte Junge schien genau zu wissen, was für die Durchführung seines Plans notwendig war. Auch die Art, wie er nun, jede Deckung nutzend, den Abhang hinabschlich, zeugte davon, dass Rai reichlich Erfahrung darin gesammelt hatte, unentdeckt zu bleiben. Vielleicht würde er es doch schaffen, unbemerkt in das Bergwerk zu gelangen.
Endlich erreichte Rai den Schutz des Dickichts, von dem aus er die Front des Vorratsgebäudes in Augenschein nehmen wollte. Er wusste selbst nicht genau, nach was er suchte, denn eigentlich hatte er schon am Tag seiner Ankunft auf Andobras, als er in Ketten zu dem Transportkorb gebracht worden war, einen Blick auf die Vorderseite des Bauwerks werfen können und nichts Außergewöhnliches entdeckt. So enthüllte ihm nun auch seine zweite Begutachtung auf Anhieb nichts Neues. Diese Seite des Gebäudes wies ebenfalls keinerlei Öffnungen auf, außer dem zweiflügligen Holztor, das beinahe bis ans Dach reichte und breit genug für die Durchfahrt eines Wagens war. Allerdings fiel ihm bei eingehender Betrachtung des Tores auf, dass kein Schloss zu erkennen war. Dafür konnte es nur zwei Erklärungen geben: Entweder die Tür war nicht verschlossen, was er als extrem unwahrscheinlich befand, oder der Riegel wurde von innen vorgelegt. Je nachdem, wie dieser Riegel beschaffen war, stellte das Öffnen von außen ein mehr oder weniger großes Problem dar. Jedoch ließ sich aus der Tatsache, dass der Eingang von innen verschlossen wurde, noch eine weitere interessante Schlussfolgerung ableiten: Es musste einen zweiten Eingang in das Vorratslager geben! Und nachdem an den Außenwänden nirgends ein weiterer Zugang zu entdecken war, existierte wahrscheinlich eine Verbindungstür zwischen Lager und Wachturm. Somit war Rais Entscheidung gefallen: Die einzig Erfolg versprechende, wenn auch sehr riskante Vorgehensweise war, zunächst in den Turm einzusteigen, um von dort in das Vorratslager zu gelangen. Mit klopfendem Herzen kehrte er zu Kawrin zurück.
»Und, hast du gefunden, wonach du gesucht hast?«, fragte der Fendländer ohne Umschweife.
»Eigentlich nicht«, gestand der Dieb, »denn irgendwie hatte ich gehofft, an der Vorderseite eine leichte Einstiegsmöglichkeit zu finden. Aber da war rein gar nichts.«
»Aha, und was heißt das jetzt?«, wollte Kawrin wissen.
»Das heißt, dass ich deine Hilfe benötigen werde.« Rai setzte ein Gesicht auf, als hätte er seinem Begleiter gerade ein Geschenk überreicht.
»Du meinst noch mehr Hilfe, als dich hierher zu führen?« Kawrin schien beunruhigt, aber nicht überrascht. »Ich hätte auf unseren Ältesten hören sollen. Du bist einer dieser Kerle, mit denen mir meine Mutter früher verboten hat zu spielen, weil sie einen immer in Schwierigkeiten bringen.«
»Da bin ich aber froh, dass deine Mama nicht hier ist, um deine Spielgefährten für dich auszuwählen«, meinte Rai schnippisch. »Aber im Ernst, ich brauche dich, um die Wachen abzulenken.«
»Kein Problem«, entgegnete der blonde Seewaither sarkastisch. »Wie soll ich sie angehen? Mit meinem Holzspeer oder doch besser mit einem Stein? Du musst es nur sagen, dann werde ich mich todesmutig auf sie stürzen.«
»Ich bin überwältigt von so
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