Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm
oder alt, überall diese ekelhafte Vertrautheit! Wenn ich doch nur ein klein wenig von dieser Leichtigkeit besäße, nur ein wenig dieses gedankenlosen Selbstvertrauens …‹, dachte er bei sich, als er unruhig durch das Zimmer wanderte, auf der Suche nach einem Ziel für seinen Zorn.
Gerade in diesem Augenblick ertönte an der offen stehenden Tür des Raumes die vertraute und zugleich verhasste Stimme seines Halbbruders: »Mein Bruder, wusste ich doch, dass ich dich hier finden werde. Welche schwerwiegenden Gedanken wälzt du denn schon wieder?« Auf Ardens Gesicht stand ein strahlendes Lächeln. Artons Hand spannte sich um den Griff seines Schwertes, während er Ardens Blick auszuweichen versuchte.
»Was ist? Unsere Schüler sind bereit! Heute können wir das erste Mal in diesem Jahr im Park üben.« Arden ging zur Tür und wartete dort, bis ihm Arton folgte, ohne dass er dabei dessen düsterem Gesichtsausdruck irgendeine Beachtung schenkte.
Sie gingen den breiten, holzgetäfelten Gang entlang, der ohne jede Biegung vom einen Flügel des oberen Stockwerks in den anderen führte, bis sie die in der Mitte gelegene, in einem weiten Halbrund nach unten führende Treppe erreichten. Schweigend liefen sie die ausgetretenen Stufen in die Eingangshalle hinab und durchschritten das verwitterte, hölzerne Portal, das, um die milde Frühlingsluft hereinzulassen, schon den ganzen Tag offen stand. Auf der Rasenfläche links neben dem Weg zum Eingangstor waren die neun älteren Schüler bereits mit dem Unterrichten der »Kleinen« beschäftigt. Bisher wurde ausnahmslos mit Holzschwertern gefochten, was den neuen Schülern meist großes Vergnügen bereitete. So herrschte, als die beiden Erenors zu ihren Schülern stießen, eine ausgelassene Stimmung. Targ war gerade von seinem hünenhaften Bruder Deran wegen einer vorlauten Bemerkung in den Schwitzkasten genommen worden. Schwer schnaufend rief er seine Gruppe von Schülern zu Hilfe, die sich daraufhin johlend auf Deran stürzten. Der ließ von seinem Bruder ab und begann, mit sechs von Targs Schützlingen auf dem Rücken und an den Beinen hängend, lachend über die Wiese zu torkeln. Schließlich brachte ihn der nun befreite Targ von hinten zu Fall. Arton konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, und wie immer, wenn er sich mit seiner Schule beschäftigte, wurde sein Herz etwas leichter. Arden war inzwischen zu den erschöpften Ringkämpfern geeilt und erklärte lachend Targ und seine Gruppe zum Sieger, was von diesen mit großem Jubeln begrüßt wurde.
Als Arton sah, wie Arden fröhlich in die allgemeine Ausgelassenheit mit einstimmte, beschloss er, dem Ganzen nun Einhalt zu gebieten. Er setzte ein strenges Gesicht auf und lief: »Schluss jetzt mit den Spaßen! Spart euch den Übermut für das Bajulafest morgen auf. Wir fahren jetzt mit den Übungen fort.« Arton verspürte plötzlich Lust auf einen Schwertkampf.
»Heute werde ich euch zeigen, dass es kein Spaß ist zu kämpfen, sondern eine Notwendigkeit. Vergesst nie, der Kampf ist nicht das Vergnügen eines Kriegers, sondern seine Pflicht, und um diese Pflicht einmal ehrenhaft erfüllen zu können, seid ihr hier. Wir kämpfen, um zu leben, aber wir leben nicht, um zu kämpfen! So lautet der Leitspruch der Erenor. Vergesst das niemals.« Arton wiederholte die Worte seines Meisters Maralon, obwohl er sie selbst noch nicht begriffen hatte.
»Wer von den Älteren will gegen mich kämpfen?«, fragte er, nachdem alle sehr schweigsam geworden waren. »Metall auf Metall, wie beim Kampf auf Leben und Tod!«
Arton hatte zwar selbst noch nie um sein Leben kämpfen müssen, wählte jedoch diese Worte, um dem bevorstehenden Gefecht mehr Tragik zu verleihen. Etwas schüchtern, aber ohne zu zögern, trat Tarana vor.
»Ich habe in letzter Zeit viel geübt und schon lange nicht mehr die Gelegenheit bekommen, mich mit meinem Meister zu messen. Ich möchte um die Gunst bitten, mein Kampfgeschick an Euch zu erproben.« Tarana blickte Arton mit entwaffnender Offenheit ins Gesicht. Ihr Lächeln war wie eine sanfte Berührung.
»Na, mir scheint eher, sie erprobt gerade ein anderes Geschick an unserem Meister!« Targ erntete mit dieser spöttischen Bemerkung gutmütiges Gelächter von seinen Kameraden, die die Anspielung verstanden hatten, und einen bösen Blick von Taranas Freundin Derbil. Tarana war unwillkürlich rot geworden und bemühte sich sichtlich um Fassung. Arton versuchte, die Bemerkung zu ignorieren. Er konnte sich beim
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