Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm
unbedingt darüber sprechen musste, was soeben passiert war.
Tarana blickte zu Boden, als sie zaghaft zu sprechen begann: »Ich dachte, ich kann ihn beeindrucken, wenn ich ihn besiege … Stattdessen habe ich alles verloren: den Kampf, seine Achtung, einfach alles …« Sie rieb sich verzweifelt die Stirn und blickte ratlos zu Derbil auf. Diese lächelte nur.
»Meine liebe Tara«, es war eine Koseform ihres Namens, die nur Derbil verwendete, »du unterschätzt ständig deine Wirkung – besonders die auf Männer! Ist dir eigentlich klar, dass keiner es bisher geschafft hat, Arton die Klinge an die Kehle zu setzen? Ich meine wirklich keiner, nicht einmal Arden! Besiegt hat ihn, soweit ich weiß, bisher nur Maralon, das war aber, als Arton noch ein junger Hüpfer war. Ist dir bewusst, was das bedeutet?«
»Aber hast du nicht seine Worte zum Schluss gehört: ›Traut nie eurem Gegner, zeigt kein Mitleid‹? Das war wie ein Schlag ins Gesicht!«, widersprach Tarana unglücklich.
»Unsinn! Wäre Arton nicht so stur wie ein skardischer Ziegenbock, er hätte sich dir geschlagen gegeben. Aber er säbelt sich lieber die Hand ab, als dich gewinnen zu lassen! Das ist dieser verfluchte Stolz der Männer.« Derbil strich Tarana, die ungetröstet auf ihre Fußspitzen starrte, sanft über die Wange.
»Weißt du«, fuhr Derbil aufmunternd fort, »dass auch noch nie jemand solch ein Lob von Arton empfangen hat?«
Tarana blickte auf. »Was meinst du?«, fragte sie mit großen Augen.
»Ich meine«, antwortete Derbil mit einem Schmunzeln über Taranas kindlichen Gesichtsausdruck, »dass unser junger Meister Arton, dessen Kälte manchmal einen Nordlandbären zum Erschauern bringen könnte, dir vor allen Schülern gesagt hat, dass er dich bewundert. Ich weiß, er hat es nicht wortwörtlich so gesagt, aber das war, was er damit ausdrücken wollte. Und jetzt überleg doch mal selbst, wie ihr euch angesehen habt nach dem Kampf, das war ja, als wären sich Elban und Irina begegnet!«
Tarana lächelte nachdenklich bei diesem Vergleich mit der alten Sage über die beiden Liebenden und fand in ihrer Bescheidenheit, dass es recht gut passte, denn Elban war der Sohn eines Königs, während Irina, wie sie selbst, aus einer Nomadenfamilie stammte. Das führte ihr aber zugleich wieder ihre unterschiedliche gesellschaftliche Stellung vor Augen.
»Das ist ein schlechter Vergleich«, entgegnete Tarana, und ihr Lächeln erstarb, »denn Arton will offensichtlich kein Nomadenmädchen haben. Ich glaube, er kann so etwas wie Liebe gar nicht fühlen!« Unvermittelt trat Tarana aber wieder jener Moment von vorhin vor Augen, als sie für einen Wimpernschlag in Artons Herz blicken konnte. Was sie dort gesehen hatte, war von Arton bis dahin sehr sorgfältig verborgen worden und ließ sie nun an ihren eigenen Worten zweifeln.
»Jetzt hör mal gut zu«, begann Derbil aufgebracht. Dann hielt sie kurz inne und blickte aufmerksam zu den anderen Schülern hinüber, die inzwischen ihre Kampfübungen abgeschlossen hatten und gruppenweise langsam ins Gebäude zurückkehrten. Als sie sicher war, dass sie niemand hören konnte, fuhr sie fort: »Du neigst – wie ich vorhin schon sagte – dazu, dich selbst zu unterschätzen. Du bist eine Istanoit, nicht irgendein Nomadenmädchen! Schon vergessen? Die Istanoit sind die Könige der Steppe und können sich mit jedem anderen messen! Und bei den Göttern, muss ich das denn ständig wiederholen: Meister Eisklotz ist bis in die letzte gefrorene Ader in dich verliebt! Das sieht doch ein Blinder! Er weiß es wahrscheinlich nur noch nicht oder will es einfach nicht wahrhaben. Alles, was du jetzt tun musst, ist, ihm zu zeigen, dass auch du in ihn verliebt bist. Wenn er das mitbekommt, wird er in deinen Händen schmelzen wie Schnee im Feuer des Xelos!« Derbil hob bei diesen Worten beschwörend die Hände gen Himmel.
»Wenn das nur wahr wäre«, sagte Tarana nach einer kurzen Pause. »Ich kann einfach nicht glauben, dass er so empfindet. Er ist so unnahbar, so überlegen …« Tarana verbarg ihr Gesicht in den Händen. Derbil fuhr ihr mitleidig durch die Haare.
»Er ist nicht überlegen, er ist nur ein Mann. Eine harte Nuss vielleicht, aber er ist und bleibt ein Mann, den du um den Finger wickeln kannst, wenn du es richtig anstellst.«
Tarana erhob sich entschlossen. »Vielleicht hast du recht, Derbil. Ich weiß zwar nicht, warum, aber ich liebe ihn, also muss ich mit ihm reden. Aber wie soll ich das bloß
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