Vermächtnis des Pharao
zusammengeknülltes Laken getauscht. Er kletterte vom Bett herunter und ging zum Fenster. Die Erleichterung, aus diesem Traum entkommen zu sein, war überwältigend. Er hatte niemandem von seiner Begegnung mit Seth erzählt; er konnte nicht glauben, daß es mehr als ein Mummenschanz gewesen sein sollte - aber warum eigentlich? Wer war er? Wie konnte er behaupten, es gebe keine Götter und keine Dämonen, die unter den Menschen wandelten? Wenn Echnaton recht gehabt hatte und der einzige Gott der war, der seinen Ausdruck im Sonnenlicht fand - warum hatte das Volk ihn dann verstoßen? Hatte er unrecht gehabt, oder zog das Volk die dunklen Wege dem Licht vor? Vielleicht waren ja auch die Menschen Geschöpfe der Dunkelheit.
Er schaute zum Bett hinüber. Aset hatte gespürt, daß sie allein war; sie hatte sich im Schlaf umgedreht und lag jetzt auf dem Rücken, hatte die Decke von sich geworfen, ein Bein ausgestreckt, das andere angezogen. Sie sah schrecklich verwundbar aus. Huy dachte - widerstrebend inzwischen - daran, daß er bald ausziehen mußte. Er war beim Kommen und Gehen und bei all seinen Treffen mit Amotju äußerst vorsichtig gewesen. Abgesehen von den Leuten in Amotjus und Asets Haushalt wußte niemand, wo er war. Aus Rechmires Büro hatte er (zu seiner Erleichterung) erfahren, daß er für die freie Stelle nicht in Frage kam. Außerdem hieß es, er solle sich hüten, Arbeit in einem Beruf zu suchen, der ihm verboten sei. Auch das war eine Erleichterung. Wäre es Rechmire in den Sinn gekommen, er hätte ihm für diese Anmaßung die Nase aufschlitzen lassen können.
Aber wenn er weiter forschen wollte, mußte er frei sein; und er durfte nicht riskieren, Aset oder ihr Haus in Gefahr zu bringen.
Er hatte nicht das Gefühl, sich noch einmal dem Schlaf anvertrauen zu können, es war den Göttern nicht unmöglich, im Traum zu den Menschen zu kommen. Er ging zu einem Tisch an der Wand gegenüber und goß sich rotes Bier aus einem Krug in einen Becher; eine Schüssel gelbe Feigen stand daneben. Zum Lesen war es zu dunkel, und er wollte Aset nicht durch eine Lampe stören, aber er wollte auch nicht allein
in einem anderen Zimmer sitzen. So trug er sein Bier zum Fenster und trank und schaute dabei auf den Fluß hinaus, der schwarz und silbern hinter dem Gewirr der Stadt strömte. Es war zutiefst still, und nicht einmal das Feuer eines Wachmannes glomm an den fernen Kais.
Aset bewegte sich im Schlaf, und es schauderte sie. Er ging zum Bett und deckte sie wieder zu. Dabei wachte sie auf. Das Vertrauen in ihren Augen war fast mehr, als er ertragen konnte.
»Du bist wach?« fragte sie schlaftrunken.
»Ja.«
»Kannst du nicht schlafen?«
»Ich habe geträumt.«
»Das muß ein Alptraum gewesen sein.«
»Ich habe ihn schon vergessen.«
»Dann mußt du weiterschlafen.«
»Noch nicht.«
»Aber heute nacht kannst du nichts tun.«
Er setzte sich auf das Bett.
»Ich versuche zu durchschauen, was Ani erzählt hat. Er sagt, Medjays haben bei dem Überfall zugeschaut.«
»Dann wird man sie nie ausfindig machen. Die Polizei sucht vielleicht nach Piraten, aber niemals nach ihren eigenen Leuten. Wenn es Medjays waren, dann wäre es nicht das erstemal, daß Polizisten bei einem Verbrechen ein Auge zudrücken, weil sie einen Anteil bekommen.«
»Was glaubst du, wer hinter diesem Überfall steckt?«
Sie stützte sich auf den Ellbogen, nahm seinen Becher und trank. »Niemand. Flußpiraten gibt es einfach.«
»Aber diese Sache war geplant wie ein Marineangriff.«
»Die sind frech geworden«, erwiderte sie heftig. »Auf dem Fluß hat es jahrelang keine Ordnung gegeben. General Haremheb hat gerade zur rechten Zeit die Macht ergriffen.«
Huy beschloß, ihre letzte Bemerkung zu ignorieren. Sie ließ eine Disharmonie anklingen, die er in dieser Beziehung nicht haben wollte. »Rechmire hat nichts damit zu tun?«
»Natürlich. Amotju schwört, daß Rechmire dahintersteckt.«
»Und du bist anderer Meinung.«
Sie wirkte ungeduldig. »Möglich; aber Amotju ist geradezu besessen von diesem Mann. Natürlich sind sie Rivalen, aber ich glaube, mein Bruder würde das nicht so ernst nehmen, wenn es einfach um Macht ginge. Im Augenblick hat ihn etwas in der Gewalt, das er weder versteht noch beeinflussen kann.«
»Und das wäre?«
Aset war überrascht. »Liebe natürlich.«
Jetzt war es an Huy, verblüfft zu sein. »Was meinst du damit?«
»Hat er es dir nicht erzählt?«
»Was?«
»Wenn er nichts gesagt hat, sollte ich
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