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Vermächtnis des Pharao

Vermächtnis des Pharao

Titel: Vermächtnis des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Gill
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eine Ausrede ausgedacht - ein Sturz vom Pferd, auf dem sie zu ihrem Vergnügen im Damensitz ritt -, aber sie wollte sie nicht benutzen. Wie gut, daß er heute nacht nur gekommen war, weil er Trost brauchte und reden wollte.
    So anziehend seine Macht auch war, die Opfer, die sie Rechmire dafür brachte, waren einfach zu groß. Wenn sie nur genug Selbstvertrauen hätte, um ohne seine Protektion zurechtzukommen. Früher oder später würde sie einen Ausweg aus diesem Labyrinth finden müssen. Aber nicht jetzt, nicht heute nacht. Jetzt würde sie an andere Dinge denken. Sie streichelte Amotjus Kopf, beugte sich vor und küßte ihn sanft, und sie genoß ihre eigene Art von Macht. Sie brachte auch ihre eigenen Probleme mit sich, aber Mutnofret war froh, daß Amotju mit den seinen heute nacht zu ihr gekommen war, um sich von dieser Bürde zu befreien. Sie liebte ihn.

F ÜNF

    Das Maul des Monstrums reckte sich aus dem geschmolzenen Kupfer und berührte sein Bein, aber er wußte, daß er in Sicherheit war; er schwebte in der Finsternis über der Flüssigkeit. Wenn er wollte, konnte er höher fliegen, so hoch, daß die zuschnappenden Kiefer ihn nicht erreichen konnten. Für einen Augenblick wich das Maul zurück und versank unter der Oberfläche, die sich über ihm schloß wie Quecksilber, glatt und ohne sich zu kräuseln. Er blieb, wo er war, und betrachtete den glatten Kupferspiegel unter sich; er umwarb die Gefahr, erregt und angewidert zugleich. Warum war er nicht so vernünftig, höher zu fliegen? Irgendein Wahnsinn hinderte ihn daran.
    In diesem Augenblick tauchte das Maul wieder auf, stieß hervor und hoch, ohne Zögern diesmal, und die Kiefer klappten auf, schon als sie die Oberfläche durchbrachen. Er schaute geradewegs hinunter in einen roten Rachen mit sieben Reihen zackenförmiger Zähne, den Feuersteinklingen der Einbalsamierer gleich. Die schlaffe Zunge glich der Riesenlarve einer anderen gewaltigen Bestie; sie lag auf der Lauer, bereit, ihn zu umschlingen, ihn aufzulösen, das Gewebe seines Körpers mit ihrem Speichel zu zerfressen.
    Jetzt mußte er verschwinden, senkrecht aufsteigen, aus der Reichweite des scheußlichen Rachens entfliehen. Inzwischen konnte er auch die Augen erkennen, den ganzen Kopf. Menschenaugen starrten ihn an, aus einem Gesicht aus Geröll, Augen mit dicken Frauenwimpern. Er flatterte mit seinen Geierflügeln, und sie holten nach oben aus - und stießen gegen die Decke. Das hatte er nicht gewußt; er hatte sie in der Finsternis über sich nicht gesehen und nicht geahnt, aber schon hatte er sie erreicht, war dort festgenagelt. Die Kiefer schnappten zu - um Haaresbreite von seinem nackten Bauch entfernt. Er spürte den Sog, als sie sich schlossen, und er roch den erstickenden Dunst von lange totem Fisch und Schwefel, der ihm die Nase verklebte, sodaß er keine Luft mehr bekam. Er sah die Bestie unten im Schlamm schwimmen; sie sammelte ihre Kräfte für einen zweiten Angriff, und die Augen blickten ausdruckslos geradewegs zu ihm herauf. Ohne Mitleid, ohne Gnade, sogar ohne Lust - nur berechnend. Vergebens schlug er mit den Flügeln; er wurde müde, und das Ungeheuer wußte es. Er wußte, wenn es jetzt tauchte, dann nur, um aus dem Kupferwasser wieder senkrecht heraufzuschießen, und diesmal würde er kopfüber in den grausigen Schlund stürzen. Schon fühlte er die kaltwarme, klebrige Liebkosung dieser Zunge.
    Seine Schultern schmerzten vor Anstrengung und konnten ihn kaum noch in der Luft halten. Einen Moment lang schloß er die Augen, um seine Kräfte zu konzentrieren. Als er sie öffnete, war die Kreatur verschwunden. Getaucht. Aber noch ehe er reagieren konnte, kam sie donnernd aus dem Wasser empor und verschlang ihn.
    Huy erwachte zitternd, und ewige Sekunden lang blieb der Traum bei ihn: Das kalte Naß, das ihn umgab, war die enge Höhle, der Schlund der Kreatur. Dann bewegte er sich vorsichtig und merkte, daß der Verband, der sich fest um seine Brust spannte, schweißgetränkt war. Auch sein Bettlaken war feucht. Er schmeckte die samtene Nacht auf den Lippen und fand darin Trost. Als er die Augen aufschlug, sah er die fernen Götter der Nacht, die am Himmel dahinfuhren, hoch über den Wolken in ihren schimmernden Wagen aus Bernstein und Gold.
    Er richtete sich auf und schob die Nackenstütze neben sich behutsam fort, um Aset nicht zu wecken, die zusammengerollt neben ihm lag, ihm zugewandt, eine Hand unter der Wange; sie schlief wie ein Kind und hatte ihre Nackenstütze gegen ein

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