Vermächtnis des Pharao
spähte er das Ufer hinunter und entdeckte eine Gruppe von Reitern, die keine zwanzig Schritt entfernt auf einer kleinen Sandsteinklippe standen und dem Kampf zuschauten. Es gab absolut keinen Zweifel: Es waren Medjays.
»Helft uns!« schrie er. Nicht nur er hatte sie bemerkt; mehrere Matrosen hatten sich vom Kampf abgewandt, schauten zu den reglosen Reitern hinüber und heulten und fuchtelten beschwörend mit den Armen. Nur die Marinesoldaten kämpften noch, aber auch sie waren weiter und weiter zurückgedrängt worden, und acht von ihnen lagen inzwischen tot an Deck.
Die Medjays rührten sich nicht. Die Piraten nutzten unterdessen die Lücke in den Reihen der Matrosen, die durch die Ablenkung entstanden war, und stürmten unter Gebrüll über die Reling der Herrlichkeit-des-Ra. Wer nicht sofort niedergeschlagen wurde, hastete über das Deck und stürzte sich auf der anderen Seite in den Fluß, ungeachtet der Krokodile, die sich am anderen Ufer jetzt träge ins Wasser wälzten. Ani kämpfte weiter, schrie immer wieder um Hilfe und schaute mit wachsender Fassungslosigkeit hinüber zu den Medjays. Schließlich sprang auch er ins Wasser. Es war dunkelgrün und undurchsichtig und schäumte, wo die Krokodile sich an den Leichen gütlich taten. Ani betete zu Nechbet um Schutz und schwamm unter Wässer davon; er hoffte, die Hauptströmung zu erreichen und stromabwärts getragen zu werden.
»Aber du kannst jetzt nicht aufgeben!«
»Ach nein? Ich habe genug Pech gehabt. Es wäre töricht, die Warnungen zu ignorieren.« Amotju wandte sich ab und schaute durch das breite offene Fenster hinaus auf die Stadt und den Fluß. Im Zimmer hinter ihm breitete Huy die Hände aus.
»Du hast eine Menge Gold verloren. Willst du nicht herausfinden, wer dahinter steckt?«
»Die Transporte sind geheim. Nur einer ist mächtig genug, um an solche Informationen zu kommen: Rechmire. Er ist zu mächtig für mich; das hat er bewiesen.«
Die Nachricht von dem Kampf war aus den Dörfern heruntergekommen, und ohne Zweifel war die Geschichte beim Weitererzählen aufgebauscht worden. Aufgebauscht und verzerrt, denn die Medjays, die Ani so deutlich gesehen hatte, wurden vorsichtig als »eine Gruppe von Reitern« beschrieben. Von der Besatzung der Herrlichkeit-des-Ra, so hieß es, habe niemand überlebt. Die Toten, die man den Krokodilen hatte entreißen können, waren mit Haken ans Ufer gezogen worden. Ihre Familien konnten sich damit trösten, daß ihre Seelen, im Fluß ertrunken und von Sobeks Kindern gefressen, nun zweifach gesegnet waren. Außerdem konnten sie tröstende Zahlungen von Amotju erwarten. Den Piraten war es nicht gelungen, die Barke von der Sandbank herunterzuziehen; sie hatten sie geplündert, so gut es ging, und waren stromabwärts davongerudert. Irgendwo vor der Südlichen Hauptstadt waren sie verschwunden, und von ihrem Boot fehlte jede Spur.
»Außerdem ist der Verlust an Gold nicht so groß, daß er mein Gefühl für Selbsterhaltung überwiegt.«
»Wenn deine Feinde sehen, daß sie dich in die Flucht geschlagen haben, werden sie sich unerbittlich zeigen. Jetzt ist nicht die Zeit für einen Rückzug.«
Amotju winkte einem Diener, er möge Wein nachschenken, und als er nach dem Becher griff, sah Huy, daß seine Hand zitterte. Er leerte ihn hastig und ließ sich nachschenken.
»Die Götter sind gegen mich. Ich will sie nicht weiter versuchen.«
»Und Rechmire?«
Amotju sah ihn an. »Ich werde dich nicht daran hindern, wenn du ihn weiter verfolgen willst. Aber das ist alles.«
»Es ist dein Kampf, nicht meiner.«
Huy begriff, daß Amotju nicht der selbstsichere und starke Geschäftsmann und Politiker war, für den er ihn gehalten hatte. Vielleicht war dies das erste Unglück seines Lebens, und die Schicksalsschläge kamen für seinen Geschmack allzu heftig und schnell. Sie wirkten wie die Erfüllung einer Prophezeiung.
»Noch immer haben wir bloß politische Rivalität als Motiv für Rechmires Angriffe. Das ist bestimmt nicht der einzige Grund, oder? Wenn er so mächtig ist, wie du sagst, warum...beseitigt er dich nicht einfach, wenn er dich als Bedrohung empfindet?«
»Weil er mich lieber ruiniert als beseitigt.«
»Dann hat er aber noch viel vor.«
»Inzwischen füllt er seine Schatzkammer auf meine Kosten.«
»Dann werden wir ihn aufhalten. Aber ich brauche mehr als nur deine finanzielle Unterstützung.«
Amotju schaute wieder aus dem Fenster und runzelte plötzlich verwundert die Stirn.
»Was
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