Vermächtnis des Pharao
vielleicht auch den Mund halten.«
Huy nahm sie bei den Schultern. »Laß mich nicht im Dunkeln tappen. Erzähl’s mir.«
»Es wäre besser, er erzählt es dir selbst.«
»Dann muß ich doch wissen, wonach ich fragen soll.«
Sie sah ihn an. »Frag ihn nach Mutnofret.«
»Wer ist das? Eine Mätresse?«
Aset beantwortete seine Fragen zunehmen widerstrebend. »Die Mätresse. Wenn sie wollte, würde er sich von seiner Frau scheiden lassen und sie heiraten.«
»Ist sie verheiratet?«
»Sie ist geschieden oder verwitwet. Ich weiß es nicht, und ich habe ihn nicht gefragt. Er spricht nicht gern über sie.«
»Hast du sie kennengelernt?«
»Nein. Gesehen habe ich sie.« Eine Spur von Abneigung lag in diesen Worten, aber Huy ging nicht darauf ein. »Was tut sie?«
»Weiß ich nicht. Sie hat Geld. Vielleicht aus einer Scheidungsvereinbarung oder einer Erbschaft. Sie wohnt im Südostviertel.«
Huy spreizte die Hände. »Und was hat das mit Rechmire zu tun?«
Aset sah ihn mit dunklen, hinreißenden Augen an. »Mutnofret ist seine Mätresse. Seine anerkannte Mätresse.«
Huy stand auf. »Und weiß er, daß sie noch einen Liebhaber hat?«
»Weiß er von Amotju, meinst du? Er ahnt vielleicht etwas. Sie ist ein unabhängiges Wesen. Vielleicht hat sie noch mehr Liebhaber.« Wieder dieser verärgerte Unterton.
»Du magst sie nicht?«
»Ich bin nicht gefragt. Amotju kann tun, was er will.«
»Ist Rechmire eifersüchtig?«
»Du hast ihn kennengelernt. Was ihm gehört, seien es Menschen oder Dinge, das muß er ganz und gar besitzen.«
»Dann ist sie wohl kaum ideal für ihn.«
»Sie ist eine Herausforderung. So. Jetzt habe ich dir alles erzählt. Jetzt brauchst du Amotju nicht mehr zu fragen.«
Sie sagte es fast bitter, mit ausdrucksloser Stimme, als habe sie ihren Bruder verraten.
Huy sah sie an. »Er hatte keinen Grund, mir das zu verheimlichen. Warum, glaubst du, hat er es getan?«
»Vielleicht wollte er sie nicht hineinziehen. Er hat keine Gewalt über sein Herz. Die hat sie.«
»Und ist das der wahre Grund, weshalb er Rechmire stürzen will?«
Aset schwieg einen Augenblick lang. Dann schaute sie ihn wieder aus dunklen Augen an. »Wir haben genug von ihr geredet.« Sie kniete im Bett und ließ das Laken fallen. »Komm her.«
Huy erwachte, weil jemand ans Tor hämmerte. Dann hörte er Laufschritte: Jemand öffnete. Hastige, atemlose Worte, die er nicht verstand, dann eine gedämpfte Debatte, dem Tonfall nach dringlich. Aset war schon aufgestanden; sie warf ein hellblaues Gewand über und ging hinaus. Huy hörte ihre Stimme über den anderen - Fragen und Antworten in schnellem Wechsel. Dann befahl sie jemandem zu warten, und im nächsten Augenblick war sie wieder bei ihm.
»Amotju ist weg.«
»Weg?«
»Er ist verschwunden.«
Der Hof von Amotjus Haus war von einer Kalksteinkolonnade umsäumt, der Boden strahlend weiß gepflastert. Ein Fischteich in der Mitte wurde von einem unterirdischen Bach gespeist, und Rankenwerk, das sich darüber spannte, bot köstlichen grünen Schatten.
Huy saß auf einer Bank, deren Schnitzwerk Vögel in einem Feigenbaum darstellte, und wartete ungeduldig auf Amotjus Frau. Endlich hörte er das Rascheln von Kleidern, drehte sich um und stand auf.
Es war lange her, daß er Taheb gesehen hatte, aber die Jahre hatten sie nicht verändert. Sie war groß und schlank - beinahe hager, genau wie früher, und nur aus der Nähe konnte man erkennen, daß die Haut ihre Straffheit verloren hatte, und die kleinen, verbitterten Falten um die Mundwinkel wurden unter der Schminke sichtbar. Ihre Bewegungen und ihre Haltung waren wie immer - makellos und gemessen. Jede Falte ihres Gewandes war an ihrem Platz, und sie benahm sich, als sei das Verschwinden ihres Gatten allenfalls eine geringfügige Störung - eine kleine Unregelmäßigkeit in den Kontobüchern, etwas, das sich ausbügeln ließ. Sie trug eine hellbraune Perücke mit eingearbeiteten blonden Zöpfen, passend zu ihren haselnußfarbenen Augen. Diese starrten ihn jetzt an, ohne zu zucken. Ausdruckslos und ohne jede Begeisterung. Huy entsann sich, daß jeder, dem Amotjus Zuneigung galt - egal, ob männlich oder weiblich -, von Taheb stets als potentieller und unwillkommener Rivale betrachtet worden war. Selbst zu kühl, als daß sie ihrer Liebe zu ihm hätte Ausdruck geben können, war sie voller Abneigung gegen jeden, dessen natürliche und spontane Wärme der Amotjus glich.
»Huy. Amotju hatte mir nicht erzählt, daß du wieder da
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