Vermächtnis des Pharao
diesmal: Amotju hatte offenbar wirklich nur das Beste im Haus.
»Was soll ich tun?«
Sie lächelte - Huy konnte es kaum glauben. »Ich hätte Amotju glauben sollen. Er hat mir gesagt, daß du klug bist.«
Du schaust mich an, dachte Huy, und siehst einen stämmigen kleinen Schreiber ohne viel Geld, der seine Frau verloren hat und töricht genug war, den Boden unter den Füßen zu verlieren, als Echnatons Schiff unterging. Aber vielleicht lernst du ja dazu.
»Du sollst mir helfen, herauszufinden, wer dahintersteckt.«
»Er hat mir befohlen, nichts mehr zu unternehmen.«
»Und - wirst du dich daran halten?«
Huy fragte sich, ob sie von der ersten Drohung wußte, von dem Ichneumon, das symbolisch seines Lebens und nach dem Tod der Kraft seines rechten Armes beraubt worden war. Amotju hatte ihr wahrscheinlich nichts davon erzählt.
Er frage sich auch, wie groß der politische Ehrgeiz sein mochte, den sie durch ihren Mann verfolge. Daß sie Rechmire nicht erwähnt hatte, war ihm nicht entgangen. Er wußte nicht, wie weit Amotju sie ins Vertrauen gezogen hatte und wie sicher sie war, das Amotju bei ihr bleiben würde. Aset hatte gesagt, er würde sie für Mutnofret verlassen.
»Ich würde gern die Wahrheit herausfinden. Ich mag keine Geheimnisse.«
»Manche Dinge halten die Götter für immer vor uns verborgen.«
»Aber es gibt sehr wenig, was man nicht mit Entschlossenheit ans Licht bringen kann.«
Nach dem kurzen, formellen Wortwechsel, der ihre Übereinkunft besiegelte, lächelten sie einander wachsam an. Taheb hob ihren Becher und trank.
Die Herrlichkeit-des-Ra war von der Sandbank freigekommen und vollendete ihre Fahrt zum Hafen der Südlichen Hauptstadt mit dem, was von ihrer Ladung noch übrig war. Dort wurde sie entladen und überholt, man ersetzte die im Kampf beschädigten Planken und scheuerte das Blut vom Deck. Ani hatte den größten Teil der Arbeiten beaufsichtigen können. Er gewöhnte sich allmählich an sein neues Bein aus Zedernholz mit dem Leinenpolster und den Lederriemen. Befriedigt ließ er, auf eine Krücke gestützt, den Blick über das Schiff wandern. Da er nun wieder beweglich war und sicher sein konnte, sein altes Kommande zurückzubekommen, hatte er in den letzten Tagen eine neue Mannschaft zusammengestellt. Vielleicht würde er bald zur Nördlichen Hauptstadt hinaufsegeln. Die Herrlichkeit-des-Ra sollte die Pracht-des-Amun als Geleitschiff für Nebcheprure Tutenchamun begleiten, wenn dieser in den Süden käme, um seine neue Residenz zu beziehen.
Ani verspürte warme Genugtuung. Nach all der Ungewißheit und dem Auf und Ab der letzten anderthalb Jahrzehnte würde die Welt jetzt wieder in Ordnung sein. Nur noch ein loses Ende galt es zu verknoten, bevor er sich mit klarem Kopf auf seine Arbeit besinnen könnte, und das war die Frage der Gerechtigkeit -oder der Vergeltung. Ani war es ziemlich gleichgültig, was ihn stärker antrieb, aber die Männer, die ihn den Krokodilen überlassen hatten, mußten gefunden werden.
Unter den letzten beiden Königen war die Herrschaft des Gesetzes an den oberen Abschnitten des Flusses zusehends verfallen, und unter Amenopis III. waren Piraten - in Anis Jugend hatte es keine gegeben - zu Hunderten hervorgegangen aus den Reihen unzufriedener oder entlassener Matrosen, Marinedeserteure und freier Kapitäne, die den schnellen und hohen Profit des Verbrechens schätzten. Ani wußte, daß er unmöglich alle Beteiligten ihrer gerechten Strafe zuführen konnte. Das Netzwerk seiner Kontakte flußauf- und flußabwärts hatte zu seiner Genugtuung funktioniert und er wußte, daß fünfen von ihnen bereits die Kehle durchgeschnitten worden war. Diese Solidarität unter den ehrlichen Schiffern auf dem Fluß hatte weniger sentimentale Gründe; hier ging es um Sicherheit, und die Gerechtigkeit, die sie übten, war schneller und sehr viel endgültiger als die der Gerichte.
Anis Gedanken waren indessen auf den Medjay-Offizier konzentriert, der zugeschaut hatte, wie seine Leute abgeschlachtet wurden. Er mußte sich seiner Sache verdammt sicher gewesen sein, um sich so zur Schau zu stellen -auch wenn der Kampf, genaugenommen, schon zu Ende gewesen war, als er erschien. Das Problem war, daß man einen Medjay durch inoffizielle Kanäle nicht aufspüren konnte, und einen Offizier schon gar nicht. Und wenn es doch gelänge, so gäbe es wenig oder keine Gelegenheit, ihm die gleiche rauhe Form von Gerechtigkeit zukommen zu lassen wie Anis anderen Feinden. An diesem Morgen
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