Vermächtnis des Pharao
einstweilen auf die Geschäftsführerin des Unternehmens, auf Taheb, zu verlagern?
»Nicht schriftlich.«
»Irgend etwas sollte schon da sein...«
»Komm schon!« Huy hätte beinahe hinzugesetzt: »Wir sind doch Kollegen.« Aber er schluckte es herunter; er hatte nicht mehr das Recht, diesen Anspruch zu erheben.
»Es hat absolut nichts mit deinen Frachtzetteln zu tun«, fuhr er - vorsichtig, wie er hoffte - fort.
Er hatte keine Lust, sich unnötig Feinde zu machen.
»Das will ich auch nicht annehmen! Wenn ich nur einen Augenblick glauben müßte, du zweifelst an meinen...«
Huy hob beschwichtigend die Hand. »Ich will wissen, wer die Ladung vor dir gesehen hat.«
Pemou kaute an seiner Feder und senkte den Blick.
»War da jemand?«
Der Schreiber blickte rasch auf. »Worauf willst du hinaus?«
»Auf gar nichts. Es geht mir nur um die Bestätigung dafür, daß sich nach deiner Bestandsaufnahme niemand an der Ladung zu schaffen gemacht hat.«
»Dieser Intef war schuldig!« explodierte plötzlich Pemou. »Wo kommen wir denn hin, wenn die Polizei jetzt zu Verbrechern wird? Wir müssen vor solchen Leuten geschützt werden!«
»Das ist überhaupt keine Frage«, log Huy.
»Ich soll Amotju nur bestätigen, daß niemand sich das allgemeine Durcheinander zunutzegemacht und ein wenig von dem, was noch an Bord war, an sich genommen hat. Und er hat vollständiges Vertrauen in deine Rechtschaffenheit; sonst hätte er mich doch nicht hergeschickt, damit ich dich direkt befrage.«
Huy hoffte nur, daß niemand diese Geschichte nachprüfen würde, aber er sah schon, daß sein Trick funktioniert hatte. Die Kombination aus der mit Autorität vorgetragenen Erwähnung von Amotju und dem blumigen Lob für den Schreiber, die offenbar Amotjus ehrliche Meinung über ihn widerspiegelte, ließ Pemou regelrecht schwellen vor Stolz. Wichtigtuerisch stand er auf und bemühte sich, nicht zu lächeln, und dabei zupfte er die Falten seines Kilts zurecht, der makellos unter einem beginnenden Spitzbauch saß, so rund und glatt wie ein Krug aus Steingut.
»Mal sehen...« Huy wußte, daß der Mann nicht versuchte, Zeit zu schinden; er wollte das Beste aus diesem bedeutenden Augenblick machen.
»Natürlich war die Kernmannschaft da, die die Barke geholt hat, aber von ihrer Abreise an bis zu dem Augenblick, als die Herrlichkeit-des-Ra hier festmachte, wurden diese Leute streng beaufsichtigt. Und ich habe dann beinahe unverzüglich die Inventur...Ich weiß! Ani, der alte Kapitän. Er kam an Bord, sowie das
Schiff angelegt und die Besatzung an Land gegangen war. Ich weiß das, weil ich noch spät gearbeitet habe, wie ich es ja häufig tue.« Er legte eine Pause in und ließ diese Facette seiner Sorgfalt für einen Augenblick gehörig funkeln. »Ich bemerkte, wie sie vorübergingen.«
»Sie?«
»Ja. Daß es Ani war, wußte ich natürlich wegen der Krücke. Er hatte immer noch große Mühe beim Gehen. Bemerkenswert, wie schnell er...«
»Wer war bei ihm?« Huy versuchte, höflich interessiert zu klingen und sich seine Erregung nicht anmerken zu lassen.
»Zwei Leibdiener. Große Männer.«
»Hast du gesehen, zu welchem Haushalt sie gehörten?«
Pemou machte ein überraschtes Gesicht. »Na, zu Amotjus natürlich.«
Huy holte tief Luft. »Und hast du sie später noch einmal gesehen?«
»Nein. Sie müssen noch auf dem Schiff gewesen sein, als ich ging. Es war schon sehr spät.«
»War denn kein Wachmann postiert?«
»Doch, aber aus welchem Grunde hätte er...?«
»Wo ist der Mann jetzt?«
Pemou machte ein betretenes Gesicht. »Tatsache ist...«
»Ja?«
Pemou sah aus wie ein Kind, dessen Sandburg am Ufer des Flusses gerade vom Huf eines täppischen Kalbes zertreten worden ist. »Er ist kurz danach verschwunden. Ist, genauer gesagt, seitdem nicht mehr gesehen worden. Er war aber nicht lange bei uns gewesen, und wir dachten, er habe woanders eine bessere Stellung gefunden.«
Huy machte eine Gewittermiene. »Hat Amotju davon erfahren?«
Pemou zitterte. »Ich weiß nicht... wegen seines Verschwindens - Amotjus, meine ich -und seiner Krankheit...Außerdem war ich für diesen Wachmann nicht verantwortlich, denn sonst wäre sicher Meldung gemacht worden.«
Huy ließ ihn stehen. Nun konnte er sich überlegen, wie er seine Sandburg wieder aufbaute.
Die neue Jahreszeit hatte zwar gerade erst begonnen, aber das Wasser war schon merklich gestiegen, und die Schiffsflanken erhoben sich wie hölzerne Wände am Rande der Kaianlagen. Die Sonne
Weitere Kostenlose Bücher