Vermächtnis des Pharao
überlegte kurz. »Es gibt zwei. Eins hat er vor vielen Jahren begonnen; nachdem seine Macht nun größer geworden ist, hat er auf einem neuen, größeren Gelände nahe dem Zentrum des Tales mit den Bauarbeiten angefangen. Aber dort sind mehrere Wachen postiert.«
»Was ist mit seinem alten Grab?«
»Ich weiß nicht, was Rechmire damit vorhat. Vielleicht hat er es einfach aufgelassen.«
»Aber wenn es bewacht würde?«
»An gut bezahlten Wachen vorbeizukommen, ist unmöglich. Wenn du ihre Komplizenschaft nicht kaufen kannst, mußt du mindestens ebensoviel Einfluß auf sie haben wie ihr Arbeitgeber.«
Plötzlich arbeitete Huys Verstand nicht mehr. Die Woge der Erschöpfung, die er aufgestaut hatte, ließ sich nicht länger zurückhalten, und sie überflutete ihn rauschend. Seine Lider sanken herab, und alles wurde ihm gleichgültig: Haremheb, der sich ein Imperium errichtete durch den jungen Pharao, dessen bevorstehende Ankunft die Stadt in summende Geschäftigkeit gestürzt hatte, Rechmire und Mutnofret mit ihrer schäbigen Moral, Taheb mit ihrer kühlen Arroganz und Amotju mit seiner Leichtgläubigkeit. Alle gruben sich gegenseitig
Fallen um des eigenen Vorteils willen. So war die Welt, und so war sie immer gewesen; die Ideale der Stadt des Horizonts waren ein Traum. Nicht einmal hinter ihnen hatte man gestanden. Die Menschen hatten einfach mitgemacht, weil der, der sie vertrat, zufällig Pharao war. Wenn Echnaton nicht die absolute Macht gehabt hätte, wären seine Theorien niemals niedergeschrieben und schon gar nicht befolgt worden; nun waren sie mit seinem Tode verweht wie Spreu im Wind. Er, Huy, lebte noch in dieser Welt und mußte irgendwie in ihr weiterleben.
Er fühlte Asets kühle Hand auf der Stirn und war dankbar. Er hatte eine Freundschaftsschuld an ihrem Bruder abzutragen, und noch ehe er einschlief, gestand sein ordnungsliebendes Herz schon ein, daß er die Dinge nicht einfach sich selbst überlassen konnte. Aber wenn dies erst vorüber wäre, würde er beantragen, wieder Schreiber werden zu dürfen. Er würde akzeptieren, daß die Welt sich verändert hatte, und allen Konfrontationen aus dem Weg gehen.
Einstweilen aber brauchte er Ruhe, denn er hatte noch viel zu tun.
Z EHN
Amotju bot seinem Freund Wein an und begrüßte ihn, als kehre er von einer langen Reise zurück - was, dachte Huy, in gewisser Weise ja auch stimmte; er beschloß aber, von seinem Erlebnis nichts zu erwähnen. Statt dessen berichtete er Amotju von seinem Gespräch mit Mutnofret und log, was die Zeit danach anging.
»Hast du Nachricht von Taheb?« fragte er dann.
Amotju sah ihn vorsichtig an. »Ja.«
»Was sagt sie?«
»Sie hat durch einen Kurier zwei Briefe geschickt, weiter nichts. Sie erkundigt sich nach den Kindern, erzählt von den Vorbereitungen für die Abreise des Königs. Es haben letzte Empfänge stattgefunden, ein Staatsbankett...«
»Was wirst du tun, wenn sie zurückkommt?«
Amotju schob den Unterkiefer ein wenig vor. »Ich werde ihr sagen, daß ich mich scheiden lasse. Schwierigkeiten wird es nicht geben. Wir haben eine Trennungsvereinbarung.«
»Und dann?«
»Huy, du bist ein alter Freund, aber...«
»Natürlich - entschuldige. Es geht mich nichts an.«
»Du wirst es sowieso bald erfahren. Aber du solltest wissen, daß das einzige Hindernis für mein Glück und meinen Ehrgeiz der Hohepriester ist. Hast du Beweismaterial gegen Rechmire, das ich verwenden kann?«
Huy wartete einen Moment, bevor er antwortete. »Ich glaube nicht, daß es irgend etwas gibt, was du gegen Rechmire verwenden könntest. Ich weiß nicht, wie er sich Geld beschafft, aber es gibt keinen Grund, anzunehmen, daß er außer vom Tempel irgendetwas bekommt.«
»Wie finanziert er sich aber dann?«
»Als Echnaton das ganze Tempeleinkommen für den Aton und an sich selbst auszahlen ließ, wurde im ein großer Teil des Vermögens vorenthalten; das weißt du so gut wie ich. Sieh dir doch nur an, wie schnell die alte Religion den verlorenen Boden zurückgewonnen hat. Das hat seinen Grund.«
Amotju spreizte ungeduldig die Hände. »Du willst also sagen, er hat weder mit den Grabräubereien noch mit der Piraterie zu tun?«
»Da bin ich ganz sicher. Vielleicht hat er sich andere Verbrechen zuschulden kommen lassen, aber diese nicht.«
»Woher weißt du das?«
»Es gibt keinen hundertprozentigen Beweis; aber er hat mich mehr als einmal in seiner Gewalt gehabt, und es wäre die einfachste Sache der Welt gewesen, mich beseitigen zu
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