Vermächtnis des Pharao
kümmerten sie sich nicht um Aset. Sie spähte über die Brüstung in das Zimmer darunter und sah, daß der Mann mit einem anderen sprach. Ein breiter Tisch trennte die beiden voneinander, und Papyrusrollen waren darauf verstreut.
Der zweite Mann war massig und kräftig gebaut und hatte breite, wuchtige Schultern. Auch ohne die Amtskette des Hohepriesters der Osiris hätte man ihn nicht verwechseln können.
Es war ein schlechter Fischtag gewesen für Anpu. Die Sonne brannte ihm auf den Rücken und der Schweiß rann ihm in die Augen. Als er sein kleines Papyrusboot durch die Untiefen am Ostufer des Flusses nördlich der Südlichen Hauptstadt steuerte. Der Wasserspiegel war so stark angestiegen, daß von dem Schilf, das hier wuchs, nur noch die Spitzen zu sehen waren. Aber wegen der grünen Pflanzenmassen im Wässer konnte er keine Fische erkennen, und immer wieder kam das Ledernetz herauf und brachte nichts als Gras und Algen mit.
Mit schmalen Augen blinzelte er nach der Sonne; es war schätzungsweise um die zehnte Stunde des Tages. Um diese Zeit am Spätnachmittag hatte die Hitze ihre tote Hand schwer auf alles gelegt. Die Uferböschungen schimmerten durch den Dunst und die Ochsen und Reiher schienen zu dösen, auch während sie durch das flache Flußwasser wateten. Anpu beschloß, nach Hause zu fahren. Er würde eben morgen besonders früh ausfahren und versuchen, die Verluste wieder wettzumachen.
Er glitt ins Heck des Bootes, griff nach dem Paddel und tauchte es träge ins Wasser. Das leichte Fahrzeug schwenkte augenblicklich herum und der Bug schnitt schräg gegen die Strömung des Wassers; Anpu paddelte jetzt angestrengt. Als er nach dem fünften Paddelzug aufblickte, um zu sehen, ob der Bug des Bootes immer noch stromaufwärts gerichtet war, sah er den Toten, der an dem umgekippten Palmenstamm ruhte. Rasch fuhr er hinüber, warf ein Seil über den Baum und sicherte das Boot.
Die Strömung war stark, aber in Ufernähe deutlich schwächer, und Anpu konnte sein leichtes Boot relativ einfach an dem Palmenstamm längsseits bringen. Den Leichnam an Bord zu hieven, würde komplizierter werden, und er wollte sichergehen, daß sich die Mühe lohnte. Es würde, auch wenn der Mann schon tot war, sicher Verwandte geben, die dem einen guten Preis zahlten, der ihnen die Leiche brachte. Aber als er näherkam, hörte Anpu ein leises Stöhnen.
Er straffte sich und stand breitbeinig, um mit seinem Gewicht das Boot in der Balance zu halten. Dann beugte er sich vor, packte den Mann unter den Achseln und zerrte ihn ins Boot. Der Mann fiel mit dem Gesicht nach unten in das runde Dutzend Äschen im Fischbehälter des kleinen Bootes. Anpu gelang es, ihn auf den Rücken zu wälzen und ihn einigermaßen bequem zurechtzulegen, ehe er an ihm vorbeikletterte, um wieder seine Position im Heck einzunehmen. Jetzt mußte er sein Paddel viel härter ins Wasser stechen, um stromaufwärts voranzukommen.
Als sie in Sichtweite der Stadt gekommen waren, konnte Huy sich immerhin benommen aufrichten und seine Umgebung begutachten. Gleichzeitig mußte er die vielen Fragen abwehren, die Anpu ihm stellte; offensichtlich betrachtete ihn der Mann mit einer Mischung aus Besitzerstolz und Mißtrauen. Aber dafür erfuhr er, wo ungefähr der Fischer ihn gefunden hatte und konnte so abschätzen, wie weit die Strömung ihn flußabwärts getragen hatte, nachdem er ins Wasser geworfen worden war. Nie war Huy dankbarer für seinen stämmigen, so gar nicht schreiberhaften Körperbau gewesen als bei seinem Bemühen, im Schutze der Dunkelheit in Sicherheit zu schwimmen. Er hatte sich gefragt, ob seine Entführer wollten, daß er starb; aber das war unwahrscheinlich. Schließlich hatten sie sich die Mühe gemacht, ihm die Droge einzugeben und ein Theaterstück vorzuführen, das ausgereicht hatte, um Amotju eine Todesangst einzujagen. Ohne Zweifel hatte es auf ihn die gleiche Wirkung haben sollen. Aber da er weniger wichtig als Amotju war, hatte man ihn vielleicht nicht so gründlich behandelt wie seinen Freund.
Ausgeraubt hatten sie ihn jedenfalls nicht. Seine Lederbörse hing noch immer am Gürtel seines Kilts, und sie enthielt immer noch die zwei kupfernen Debens , die er bei Mutnofret bei sich gehabt hatte. Er gab sie Anpu, den ersten als Belohnung, den zweiten, damit er schwieg und ihn vom Boot ließ, ehe sie den Hauptkai erreichten. Anpu hatte das Gefühl, daß er am Ende heute doch gar keinen so schlechten Fang gemacht hatte, ließ seinen Schützling ein
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