Vermächtnis
hervorragenden Büchern aus dem Blickwinkel anderer theoretischer Rahmenbedingungen erörtert.
Was meine Auswahl der Gesellschaften angeht, so ist es in einem kurzen Buch natürlich nicht möglich, Beispiele aus allen traditionellen Kleingesellschaften der ganzen Welt anzuführen. Ich konzentriere mich deshalb vorwiegend auf Horden und Stämme von Kleinbauern sowie auf Jäger und Sammler, lege aber weniger Gewicht auf Häuptlingstümer und noch weniger auf entstehende Staaten – die zuerst genannten Gesellschaften unterscheiden sich einfach stärker von unserer eigenen, und anhand der Gegensätze können wir mehr von ihnen lernen. Ich nenne mehrfach Beispiele aus einigen Dutzend solcher traditioneller Gesellschaften aus der ganzen Welt. Auf diese Weise, so meine Hoffnung, kann der Leser sich ein vollständigeres, nuancierteres Bild von diesen wenigen Dutzend Gesellschaften machen und erkennen, wie ihre verschiedenen Aspekte zusammenpassen – wie beispielsweise Kindererziehung, der Umgang mit alten Menschen, Gefahren und Konfliktlösung in derselben Gesellschaft ihren Ausdruck finden.
Manchen Lesern wird vielleicht auffallen, dass ein unverhältnismäßig großer Anteil meiner Beispiele aus Neuguinea und von den benachbarten Pazifikinseln stammt. Das liegt teilweise daran, dass ich diese Region am besten kenne und dort die meiste Zeit verbracht habe. Es hat aber auch einen anderen Grund: Neuguinea steuert tatsächlich einen unverhältnismäßig großen Anteil zur kulturellen Vielfalt der Menschen bei. Es ist die alleinige Heimat von 1000 der ungefähr 7000 Sprachen der Erde. Es beherbergt die größte Zahl von Gesellschaften, die auch in moderner Zeit noch außerhalb der staatlichen Kontrolle liegen oder erst seit kurzer Zeit unter ihrem Einfluss stehen. Seine Bevölkerungsgruppen repräsentieren eine große Vielfalt traditioneller Lebensweisen von nomadisierenden Jägern und Sammlern über Seefahrer an Küsten und auf Inseln bis hin zu Spezialisten für Sagopalmen im Tiefland sowie sesshaften Gartenbauern und Schweinezüchtern im Hochland. Die Größe ihrer Gruppen liegt zwischen wenigen Dutzend und 200 000 Menschen. Wie aber leicht zu erkennen ist, erörtere ich auch ausführlich die Beobachtungen anderer Wissenschaftler an Gesellschaften auf allen bewohnten Kontinenten.
Karte 1 : Siedlungsgebiet von 39 Gesellschaften, die in diesem Buch vorkommen.
Um Leser nicht durch die Länge und den Preis dieses Buches von der Lektüre abzuschrecken, habe ich Fußnoten und Literaturbelege für einzelne Aussagen im Text weggelassen. Stattdessen sammle ich die Anmerkungen am Ende des Textes in einem eigenen, kapitelweise aufgebauten Literaturverzeichnis. Die Teile dieses Abschnitts, die Literaturstellen für das ganze Buch und den Prolog nennen, stehen am Ende des Textes. Literaturangaben für die Kapitel 1 bis 11 und den Epilog sind nicht abgedruckt, sondern werden auf der frei zugänglichen Website http://www. jareddiamondbooks.com veröffentlicht. Das Literaturverzeichnis ist zwar viel länger, als den meisten Lesern vermutlich lieb ist, es soll aber keine vollständige Literaturliste der einzelnen Kapitel sein. Stattdessen habe ich Werke aus jüngerer Zeit ausgewählt, die Lesern mit besonderen Interessen eine Bibliographie zum Material des jeweiligen Kapitels bieten; außerdem führe ich einige klassische Studien an, die man als Leser genießen kann.
Die Gliederung des Buches
Dieses Buch enthält elf Kapitel, die sich in fünf Teile gliedern, und einen Epilog. Der Teil 1 besteht nur aus dem Kapitel 1 und stellt die Bühne vor, auf der die Themen der restlichen Kapitel spielen: Es erläutert, wie traditionelle Gesellschaften den Raum aufteilen – ob durch eindeutige Grenzen, die wie bei modernen Staaten einander ausschließende Territorien trennen, oder durch eine fließende Anordnung, in der Nachbargruppen gegenseitig das Recht innehaben, die Heimat des jeweils anderen zu ganz bestimmten Zwecken zu nutzen. Nirgendwo besteht aber für jeden die völlige Freiheit, überallhin zu reisen; traditionelle Völker neigen deshalb dazu, andere Menschen in drei Gruppen einzuteilen: Bekannte, die auch Freunde sind, Bekannte, die Feinde sind, und unbekannte Fremde, die man als mutmaßliche Feinde betrachten muss. Deshalb konnten die Menschen von der Außenwelt, die weit von ihrer Heimat entfernt ist, nichts wissen.
Der Teil 2 umfasst drei Kapitel über die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten. Mangels einer
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