Vermächtnis
das Meer eine Fülle von Ressourcen liefert: Salzwasserfische, Robben, Wale und Seevögel, Süßwasserfische und Wassergeflügel; im Landesinneren stehen ihnen Reviere zur Verfügung, in denen man Landsäugetiere jagen kann. Auch die Yolngu im nordaustralischen Arnhemland bildeten eine dichte Bevölkerung, was durch die Kombination aus reichhaltigen Ressourcen an der Küste und im Landesinneren möglich gemacht wurde. Die Shoshone-Indianer im Owens Valley lebten als Jäger und Sammler in relativ hoher Dichte in einer Region, in der reichlich Wasser zur Bewässerung des Landes zur Verfügung stand, so dass sie die Erträge an Wildgrassamen steigern konnten; außerdem konnten sie Pinienkerne ernten und einlagern. Lebensmittelvorräte, Pinienhaine und Bewässerungssysteme waren es wert, dass man sie verteidigte, und die Shoshone waren dazu im Owens Valley auch zahlreich genug. Die Yanomamo-Indianer schließlich unterhalten Plantagen mit Pfirsichpalmen und Kochbananen, die ihnen Grundnahrungsmittel für viele Jahre liefern und ebenfalls die Verteidigung lohnen.
In Regionen mit einer besonders großen, dichten Bevölkerung wie bei den Dani in Neuguinea oder den Nuer im Sudan gibt es nicht nur getrennte Gruppen mit jeweils eigenem Territorium, sondern diese territorialen Gruppen sind auch in Hierarchien mit mindestens drei Stufen organisiert. Das erinnert uns an die hierarchische Organisation von Land, Menschen und politischer Lenkung, die uns aus unseren modernen Staatsgesellschaften vertraut sind. Es beginnt mit einzelnen Grundstücken und geht über Städte, Kreise und Bundesstaaten bis zum Staatsgebiet. Die Nuer (Abb. 7 ) zum Beispiel sind 200 000 Menschen und leben auf einem Gebiet von rund 78 000 Quadratkilometern; sie gliedern sich in Stämme von jeweils 7000 bis 42 000 Personen, die jeweils wieder in Unterstämme erster, zweiter und dritter Ordnung unterteilt sind, bis hin zu Dörfern mit 50 bis 700 Einwohnern und Abständen von acht bis 32 Kilometern. Je kleiner eine Einheit ist und je weiter unten sie in der Hierarchie steht, desto seltener kommt es zu Meinungsverschiedenheiten um Grenzen und andere Themen: Verwandte und Freunde üben auf Streithähne einen stärkeren Druck aus, Konflikte schnell und gewaltlos beizulegen, und wenn es zu Kämpfen kommt, bleibt ihr Umfang gering. Die Nuer zum Beispiel erlegen sich in ihrem Umgang mit den benachbarten Dinka-Stämmen kaum Beschränkungen auf: Sie überfallen regelmäßig die Dinka, stehlen ihnen das Vieh, töten männliche Dinka und nehmen manche Dinka-Frauen und -Kinder gefangen, während andere ebenfalls getötet werden. Dagegen bestehen die Feindseligkeiten der Nuer gegen andere Nuer-Stämme nur aus gelegentlichem Rinderdiebstahl oder der Tötung weniger Männer; Frauen und Kinder werden weder getötet noch verschleppt.
Nichtexklusive Landnutzung
Dem anderen Extrem, dem völligen oder fast völligen Fehlen der Ausschließlichkeit, nähern sich Gesellschaften unter Bedingungen, die das Gegenteil der exklusiven Landnutzung widerspiegeln. Ein Beispiel ist eine kleine, verstreut lebende Bevölkerung, die ihre Grenzen (abgesehen vom gelegentlichen Blick auf Eindringlinge, während man etwas anderes tut) nicht bewachen kann. Besteht eine Gesellschaft beispielsweise nur aus einer einzigen Familie, kann sie sich eine Bewachung nicht leisten: Der einzige erwachsene Mann kann unmöglich den ganzen Tag auf einem Wachturm sitzen. Eine zweite Voraussetzung ist eine unproduktive, randständige, wechselvolle Umwelt mit spärlichen, unberechenbaren Ressourcen; ein solches Territorium, auf das man vielleicht Anspruch erheben könnte, würde oft (zu manchen Jahreszeiten oder in schlechten Jahren) nicht die lebensnotwendigen Ressourcen liefern, so dass man in regelmäßigen Abständen in den Territorien anderer Gruppen danach suchen müsste, und umgekehrt. Drittens zahlt es sich nicht aus, sein Leben für die Verteidigung eines Territoriums aufs Spiel zu setzen, in dem es nichts gibt, für das es sich zu sterben lohnt: Wird das eigene Territorium angegriffen, ist es in einem solchen Fall besser, einfach weiterzuziehen. Und schließlich sind Territorien häufig dann nicht exklusiv, wenn in der Gruppe eine starke Fluktuation herrscht und wenn die Gruppenmitglieder häufig andere Gruppen besuchen oder zu ihnen wechseln. Eine andere Gruppe fernzuhalten ist witzlos, wenn die Hälfte ihrer Mitglieder ohnehin Besucher sind oder ursprünglich aus der eigenen Gruppe stammen.
Dennoch
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