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Vermächtnis

Vermächtnis

Titel: Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Erlaubnis fragt, ist meist ein Kampf die Folge. Horden aus großer Entfernung müssen mit besonderer Sorgfalt um Erlaubnis bitten und sollten sowohl die Dauer des Besuches als auch die Zahl der Besucher beschränken. Außenstehende, die nicht durch Blutsverwandtschaft oder Heirat in einer anerkannten Beziehung zu den Eigentümern eines n!ore stehen, dürfen das Territorium überhaupt nicht besuchen. Nichtexklusive Territorien bedeuten also nicht, dass alle alles dürfen.
    Das Recht, Land und Ressourcen – exklusiv oder nichtexklusiv – zu nutzen, setzt einen Begriff von Eigentum voraus. Wem gehört der n!ore einer !Kung-Horde? Die Antwort: dem K’ausi der Horde, das heißt einer Kerngruppe älterer Mitglieder oder einem älteren Nachfahren der Menschen, die schon am längsten in der Region ansässig sind. Aber die Zusammensetzung der Horden ist flexibel und ändert sich von Tag zu Tag. Die Menschen besuchen häufig Verwandte in einem anderen n!ore oder begeben sich je nach Jahreszeit zur Beschaffung von Wasser oder überschüssigen Lebensmitteln in andere Territorien, und ein frisch gebackener Bräutigam lebt unter Umständen zusammen mit seinen Angehörigen (Eltern und die erste Frau mit den Kindern, falls er zum zweiten Mal heiratet) zehn Jahre bei der Horde der neuen Ehefrau, bis diese mehrere Kinder zur Welt gebracht hat. Deshalb verbringen viele !Kung außerhalb des eigenen n!ore mehr Zeit als innerhalb. In einem Jahr verlegen durchschnittliche 13  Prozent der Bevölkerung ihren Wohnort auf Dauer von einem Lager in ein anderes, und 35  Prozent der Bevölkerung teilen ihre Aufenthaltszeit gleichmäßig zwischen zwei oder drei Lagern auf. Unter diesen Umständen besteht die Horde im Nachbar-n!ore teilweise aus den eignen Leuten; sie sind keine bösen Feinde, bei denen wie bei meinen Freunden aus den Bergen Neuguineas im Laufe mehrerer Generationen nur zwei Eheschließungen zwischen den Gruppen stattgefunden haben. Was die Ressourcen angeht, verfolgt man keinen strengen Ausschließlichkeitskurs, wenn viele »Eindringlinge« in Wirklichkeit die eigenen Geschwister und Vettern, erwachsene Kinder oder greise Eltern sind.
    Einen weiteren interessanten Fall der nichtexklusiven Landnutzung finden wir bei den Shoshone im Großen Becken Nordamerikas. Diese Ureinwohner gehören zu derselben Sprachgruppe wie die Shoshone im Owens Valley, die ich bereits als Beispiel für exklusive Landnutzung erwähnt habe. Dass ihre Vettern im Großen Becken es anders machen, liegt an den Unterschieden in der Umwelt. Während das Land im Owens Valley gut bewässert war, sich für Bewässerung eignete und die Verteidigung lohnte, ist das Große Becken eine unwirtliche Wüste. Im Winter ist es dort sehr kalt, die Ressourcen sind spärlich und unberechenbar, und es gibt kaum Möglichkeiten, Lebensmittelvorräte anzulegen. Die Bevölkerungsdichte lag im Großen Becken nur bei ungefähr einem Einwohner auf 40  Quadratkilometer. Die Shoshone lebten dort während eines großen Teils des Jahres als getrennte Familien; im Winter bezogen fünf bis zehn Familien gemeinsam ein Lager in der Nähe von Quellen und Piniengehölzen, und gelegentlich fanden sich auch größere Gruppen von bis zu 15  Familien zusammen, die gemeinschaftlich Jagd auf Antilopen und Kaninchen machten. Deutlich markierte Territorien unterhielten sie nicht, aber den einzelnen Familien gehörten bestimmte Stellen wie beispielsweise Piniengehölze; diese konnten zwar mit anderen Familien gemeinsam genutzt werden, aber nur nach gegenseitiger Übereinkunft: Wer versuchte, Pinien ohne eine solche Verabredung zu ernten, wurde mit einem Hagel von Steinwürfen vertrieben. Andere Ressourcen – Pflanzen wie Tiere – wurden nach flexiblen Regeln nichtexklusiv geteilt.
    Ein Minimum an Anerkennung und Überwachung von Territorien schließlich praktizierten die Machiguenga-Indianer in Peru und die Siriono-Indianer in Bolivien, die beide in tropischen Waldgebieten zu Hause sind. Zu der Zeit, als diese Gruppen von Anthropologen studiert wurden, lebten die Machiguenga als Gärtner; ihre Bevölkerungsdichte war bescheiden, möglicherweise weil eine frühere, dichtere Bevölkerung aufgrund der von Europäern eingeschleppten Krankheiten oder durch Morde während des Kautschuk-Booms zusammengebrochen war, und auch weil die Landwirtschaft in ihrer Region nur geringe Erträge lieferte. Die Machiguenga unternahmen jahreszeitliche Wanderungen, um wilde Nahrungsmittel zu finden, und legten mit

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