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Vermächtnis

Vermächtnis

Titel: Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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unangenehmen Erfahrungen mit dem Betreten vermeintlich verbotenen Geländes in Neuguinea wurde mir klar, dass ich die Lage am besten ernst nehmen sollte. Ohnehin würden die Bergbewohner mich auf dem Bergrücken nicht ohne starke Eskorte lagern lassen, ganz gleich, wie ich selbst die Gefahr einschätzte. Sie verlangten, dass ich mich von zwölf Leuten beschützen ließ, und ich machte einen Gegenvorschlag: sieben Männer. Am Ende schlossen wir einen »Kompromiss« zwischen sieben und zwölf: Als das Lager eingerichtet war, zählte ich ungefähr 20  Mann, die bei mir geblieben waren. Alle waren mit Pfeil und Bogen bewaffnet, und dann kamen noch Frauen hinzu, die kochten, Wasser holten und Brennholz sammelten. Außerdem wurde ich gewarnt, ich solle nicht von dem Weg auf dem Kamm abweichen und keinesfalls den hübsch aussehenden Wald am Südabhang betreten. Dieser Wald gehörte unbestritten den Leuten vom Fluss, und wenn sie mich dort erwischten, würde es Ärger, richtig großen Ärger geben, selbst wenn ich nur Vögel beobachtete. Außerdem konnten die Bergbewohnerinnen auch kein Wasser aus dem nahen Bach am Südhang holen, denn damit würden sie nicht nur das fremde Territorium betreten, sondern auch noch eine wertvolle Ressource entnehmen, und wenn man dieses Problem dann überhaupt noch friedlich beilegen könne, wäre eine Entschädigungszahlung fällig. Stattdessen gingen die Frauen jeden Tag den ganzen Weg hinunter ins Dorf und schleppten die 20 -Liter-Wasserkanister über 500 Höhenmeter zur Lagerstelle.
    Am zweiten Morgen im Lager erlebte ich etwas Aufregendes. Es verursachte mir Herzklopfen und lehrte mich, dass die Territorialbeziehungen zwischen Gebirgs- und Flussleuten komplizierter waren als das Schwarzweißprinzip, sich gegenseitig das Betreten zu verbieten. Ich ging mit einem der Gebirgsbewohner zurück zu der T-Kreuzung der Pfade und dann weiter nach links den Bergkamm entlang. Wir wollten einen alten, überwachsenen Weg roden. Meinem Begleiter machte es offenbar keine Sorgen, dass wir dort waren, und ich erfuhr auch, warum: Selbst wenn die Flussleute uns entdeckten, würden sie nichts dagegen haben, dass wir auf der Kammlinie standen, so lange wir nicht auf ihre Seite hinüberkamen. Aber dann hörten wir Stimmen, die auf der Südseite den Berg hinaufkamen. Oh, oh! Flussleute! Wenn sie bis zur Kammlinie und der T-Kreuzung kamen, würden sie den frisch gerodeten Weg sehen und uns verfolgen. Dann säßen wir dort in der Falle, sie würden uns eine Verletzung ihres Territoriums vorwerfen, und wer weiß, was sie dann unternehmen würden.
    Ich lauschte ängstlich und gab mir Mühe, die Bewegungen der Stimmen zu verfolgen und ihren Ort abzuschätzen. Ja, sie stiegen tatsächlich von ihrer Seite in Richtung des Bergkammes. Jetzt mussten sie an der T-Kreuzung sein, und dort waren die Anzeichen unseres frischen Weges nicht zu übersehen. Waren sie hinter uns her? Ich verfolgte die Stimmen weiter, während sie anscheinend lauter wurden und das Herzklopfen in meinen Ohren übertönten. Aber dann kamen die Stimmen nicht mehr näher; sie wurden eindeutig leiser. Waren sie auf dem Rückweg zum Dorf der Flussleute auf der Südseite? Nein! Sie stiegen auf der Nordseite in Richtung unseres Bergdorfes hinunter. Unglaublich! War das ein Überfall? Es hörte sich aber nur nach zwei oder drei Stimmen an, und sie sprachen laut – wohl kaum ein Verhalten, das man von einem geheimen Überfallkommando erwarten würde!
    Mein Begleiter erklärte mir, man müsse sich keine Sorgen machen; alles sei völlig in Ordnung. Wir Gebirgsleute (so sagte er) erkennen das Recht der Flussleute an, friedlich den Weg zu unserem Dorf hinunterzugehen und von dort zur Küste zu wandern, um Handel zu treiben. Die Flussleute dürfen dabei nicht vom Weg abweichen und weder Nahrung sammeln noch Holz schneiden, aber nur den Weg entlangzugehen ist erlaubt. Und das war noch nicht alles: Zwei Männer vom Fluss hatten sogar Frauen aus dem Gebirge geheiratet und sich in dem Bergdorf niedergelassen. Mit anderen Worten: Zwischen den beiden Gruppen herrschte nicht schlichte Feindschaft, sondern eine Art angespannter Waffenstillstand. Manche Dinge waren nach gemeinsamer Übereinkunft erlaubt und andere verboten, und wieder andere (beispielsweise die Eigentumsverhältnisse an der verlassenen Hütte und dem Garten) waren noch umstritten.
    Zwei Tage später hatte ich noch nicht wieder die Stimmen von Flussleuten in der Nähe gehört. Ich hatte noch nie jemanden

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