Vermächtnis
neuguineische Gesundheitsberater ein, um die Mitarbeiter über die Bedeutung gesunder Ernährung aufzuklären. Aber auch manche dieser Ernährungsexperten hatten schon bald mit westlichen Gesundheitsproblemen zu kämpfen.
Dieser Wandel, dessen Zeuge ich in Neuguinea wurde, ist nur ein Beispiel für die Epidemie der nicht übertragbaren Krankheiten (
non-communicable diseases
oder NCD s), die sich mit der westlichen Lebensweise verbindet und heute die ganze Welt erfasst. Solche Leiden unterscheiden sich von den übertragbaren Infektions- und Parasitenkrankheiten, die von einem Erreger (Bakterium oder Virus) oder einem Parasiten hervorgerufen werden und durch Übertragung des Erregers von Mensch zu Mensch übergehen. Viele Infektionskrankheiten brechen nach der Ansteckung schnell aus, so dass die betroffene Person nach wenigen Wochen entweder tot ist oder sich auf dem Weg der Besserung befindet. Dagegen entwickeln sich alle NCD s (aber auch manche Parasiten- und Infektionskrankheiten wie AIDS , Malaria und Tuberkulose) nur langsam und bleiben über Jahre oder Jahrzehnte bestehen, bevor sie entweder tödlich enden oder aber geheilt oder zum Stillstand gebracht werden, oder bis der Betroffene aus einem anderen Grund stirbt. Zu den wichtigsten NCD s der derzeitigen Krankheitswelle gehören Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Herzinfarkt, Schlaganfall, periphere Gefäßerkrankungen), die häufige Form des Diabetes, einige Nierenkrankheiten und manche Krebsformen wie Magen-, Brust- und Lungenkrebs. Die Leser dieses Buches werden in ihrer großen Mehrheit – dies betrifft fast 90 Prozent der Europäer, Japaner und US -Amerikaner – an einer dieser Gesundheitsstörungen sterben, die Bewohner ärmerer Länder dagegen kommen in ihrer Mehrzahl durch übertragbare Krankheiten ums Leben.
Alle genannten NCD s sind in Kleingesellschaften mit traditioneller Lebensweise selten oder fehlen ganz. Dass es einige dieser Krankheiten bereits früher gab, ist zwar in antiken Texten belegt, große Verbreitung fanden sie aber im Westen erst in den letzten Jahrhunderten. Dass sie im Zusammenhang mit der heutigen explosionsartigen, weltweiten Verbreitung der modernen westlichen Lebensweise stehen, zeigt sich sehr deutlich an ihrem epidemieartigen Auftreten in viererlei Bevölkerungsgruppen. In Ländern, die in jüngster Zeit sehr plötzlich reich geworden sind und deren Bewohner sich zum größten Teil eines westlichen Lebensstils »erfreuen« – man denke an Saudi-Arabien und andere ölproduzierende Staaten, aber auch an plötzlich wohlhabend gewordene Inselstaaten wie Nauru und Mauritius –, ist die gesamte Bevölkerung gefährdet. So handelt es sich bei den acht Staaten der Welt, in denen die Diabeteshäufigkeit über 15 Prozent liegt, ausnahmslos entweder um arabische Ölstaaten oder um wohlhabende Inselstaaten. Andere Epidemien suchen die Bürger von Entwicklungsländern heim, die in die Erste Welt ausgewandert sind und ihr früheres spartanisches Leben sehr plötzlich gegen den westlichen Lebensstil eingetauscht haben: Sie leiden häufiger an NCD s als ihre Landsleute, die zu Hause geblieben und ihre traditionelle Lebensweise beibehalten haben, aber auch häufiger als die langfristig ansässigen Bewohner des neuen Gastlandes. Beispiele sind Chinesen und Inder, die nach Übersee (nach Großbritannien, in die USA , nach Mauritius oder in andere Länder, die wohlhabender sind als China oder Indien) ausgewandert sind, oder die nach Israel emigrierten Juden aus dem Jemen und Äthiopien. Über Epidemien in Ballungsgebieten wird aus vielen Entwicklungsländern berichtet, so aus Papua-Neuguinea, China und zahlreichen afrikanischen Staaten; betroffen sind Menschen, die aus ländlichen Gebieten in die Großstädte ziehen, sich dort eine sesshafte Lebensweise zu eigen machen und mehr im Laden gekaufte Lebensmittel verzehren. Von wieder anderen Epidemien schließlich sind ganz bestimmte nichteuropäische Gruppen betroffen, die ohne Umzug ein westlich geprägtes Leben führen und dabei traurige Berühmtheit für einige der weltweit höchsten Häufigkeiten von Diabetes und anderen NCD s erlangt haben. Häufig genannte Lehrbuchbeispiele sind die Pima-Indianer in den Vereinigten Staaten, das Volk der Wanigela in Neuguinea und zahlreiche Gruppen der australischen Ureinwohner.
Diese vier Gruppen natürlicher Experimente machen deutlich, dass eine westliche Lebensweise bei Menschen, die zuvor auf traditionelle Weise gelebt haben, zu einer NCD
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