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Vermächtnis

Vermächtnis

Titel: Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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-Epidemie führt, und zwar unabhängig davon, wie sie zu dieser Lebensweise gekommen sind. Etwas anderes können wir aber ohne weitere Analysen nicht aus solchen natürlichen Experimenten ableiten: Welche Bestandteile des westlichen Lebensstils lösen im Einzelnen die Epidemien aus? Zur westlichen Lebensweise gehören viele gemeinsam auftretende Aspekte: wenig körperliche Aktivität, hohe Kalorienaufnahme, Gewichtszunahme oder Fettleibigkeit, Rauchen, starker Alkohol- und Salzkonsum. Die Zusammensetzung der Ernährung verschiebt sich meist in Richtung eines geringen Ballaststoffgehalts, eines hohen Anteils an einfachen Zuckern (insbesondere Fruchtzucker) sowie gesättigter und ungesättigter Fettsäuren. Die meisten dieser Veränderungen oder sogar alle treten ein, wenn eine Bevölkerungsgruppe stärker westlich geprägt wird, und deshalb ist es schwierig, die relative Bedeutung der einzelnen Faktoren für eine NCD -Epidemie zu benennen. Bei einigen Krankheiten ist der Zusammenhang klar: Rauchen ist vor allem als Ursache von Lungenkrebs von Bedeutung, ein hoher Salzkonsum führt in erster Linie zu Bluthochdruck und Schlaganfall. Aber was die anderen Krankheiten angeht, darunter Diabetes und mehrere Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wissen wir bis heute nicht, welche der zusammen auftretenden Risikofaktoren am wichtigsten sind.
    Vorangebracht wurden unsere Kenntnisse auf diesem Gebiet insbesondere durch die Pionierarbeiten von S. Boyd Eaton, Melvin Konner und Marjorie Shostak. Diese Autoren sammelten Informationen über unsere »Steinzeiternährung«, das heißt über Ernährung und Lebensweise unserer jagenden und sammelnden Vorfahren wie auch heute noch existierender Jäger und Sammler, und über die Unterschiede bei den wichtigsten Krankheiten unserer Vorfahren und der heutigen westlich geprägten Bevölkerungsgruppen. Ihre Überlegung: Unsere nicht übertragbaren Zivilisationskrankheiten haben ihre Ursache in einem Missverhältnis zwischen der genetischen Konstitution unseres Organismus, die noch im Wesentlichen an die steinzeitliche Ernährung und Lebensweise angepasst ist, und unserer heutigen Ernährung und Lebensweise. Sie schlugen Überprüfungsmethoden für ihre Hypothese vor und formulierten Empfehlungen für Ernährung und Lebensstil, mit denen sich das Risiko der neuen Zivilisationskrankheiten verringern lässt. Angaben über ihre Originalartikel und ihr Buch finden sich im Literaturverzeichnis zu diesem Kapitel.
    Die nicht übertragbaren Krankheiten, die mit dem westlichen Lebensstil einhergehen, sind in diesem Buch vielleicht das unmittelbarste praktische Beispiel dafür, welche Lehren wir aus der traditionellen Lebensweise ziehen können. Traditionell lebende Menschen erkranken im Großen und Ganzen nicht an den genannten NCD s, während die meisten westlich geprägten Menschen an einer dieser Krankheiten sterben werden. Natürlich will ich damit nicht sagen, dass wir uns eine ganz und gar traditionelle Lebensweise zu eigen machen, Staatsregierunen stürzen und gegenseitiges Töten, Säuglingsmord, Religionskriege sowie wieder regelmäßige Hungersnöte erdulden sollen. Vielmehr sollte es unser Ziel sein, jene Bestandteile der traditionellen Lebensweise zu erkennen und zu übernehmen, die uns vor den NCD s schützen. Eine umfassende Antwort wird noch weitere Forschungsarbeiten erfordern, wir können aber mit Sicherheit davon ausgehen, dass der traditionell niedrige Salzkonsum dazugehören wird, das traditionelle Fehlen von Staatsregierungen dagegen nicht. Schon heute bedienen sich Zigmillionen Menschen auf der ganzen Welt unserer Kenntnisse über die Risikofaktoren, um ein gesünderes Leben zu führen. Im verbleibenden Teil dieses Kapitels möchte ich zwei NCD -Epidemien genauer erörtern: die Folgen eines hohen Salzkonsums und den Diabetes.
    Unser Salzkonsum
    Zu der Kategorie chemischer Verbindungen, die von den Chemikern als Salze bezeichnet werden, gehören viele verschiedene Substanzen, aber wenn Laien von »Salz« sprechen, meinen sie das Natriumchlorid. Das ist das Salz, das wir lieben, mit dem wir unser Essen würzen, von dem wir zu viel zu uns nehmen und von dem wir krank werden. Es kommt heute auf jedem Esstisch aus dem Salzstreuer und letztlich aus dem Supermarkt, ist billig und in praktisch unbegrenzter Menge verfügbar. Unser Organismus hat mit dem Salz vor allem die Schwierigkeit, es wieder loszuwerden, und das tut er in großem Umfang über Urin und Schweiß. Der durchschnittliche tägliche

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