Vermächtnis
Mehrzahl messen Sprachforscher dem Studium verschwindender Sprachen nur eine geringe Priorität bei. Erst seit kurzem widmen mehr Vertreter des Fachgebiets dem drohenden Verlust größere Aufmerksamkeit. Es ist paradox: Viele Sprachforscher beschäftigen sich nicht damit, und das in einer Zeit, in der Sprachen, also ihr Forschungsgegenstand, verschwinden. Staaten und Gesellschaft könnten mehr Sprachforscher dazu ausbilden, die letzten Sprecher sterbender Sprachen zu studieren, ihre Äußerungen aufzuzeichnen und damit die Möglichkeit offenzuhalten, dass noch lebende Mitglieder der jeweiligen Bevölkerungsgruppe die Sprache auch dann noch wieder beleben können, wenn der letzte betagte Sprecher längst tot ist – so geschah es mit der kornischen Sprache in Großbritannien, und so wird es vielleicht auch mit der Eyak-Sprache in Alaska geschehen. Eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte der Sprachen-Wiederbelebung ist die Wiedereinführung des Hebräischen, das heute von fünf Millionen Menschen als Umgangssprache gesprochen wird.
Zweitens können Regierungen die Minderheitensprachen auch mit geeigneten Maßnahmen und Geld unterstützen. Beispiele sind die Unterstützung der niederländischen Regierung für das Friesische (das in den Niederlanden von etwa fünf Prozent der Bevölkerung gesprochen wird) und in Neuseeland die staatliche Förderung der Maori-Sprache (die von weniger als zwei Prozent der Bevölkerung gesprochen wird). Die US -Regierung, die sich zwei Jahrhunderte lang gegen die Sprachen der Ureinwohner gestellt hatte, verabschiedete 1990 ein Gesetz zu ihrer Förderung und stellte dann eine kleine Geldsumme (etwa zwei Millionen Dollar im Jahr) für die Erforschung der Ureinwohnersprachen zur Verfügung. Wie man an dieser Zahl deutlich erkennt, hat die staatliche Unterstützung für gefährdete Sprachen noch einen langen Weg vor sich. Die Beträge, die von der US -Regierung für den Schutz bedrohter Tier- und Pflanzenarten ausgegeben wird, stellen den Aufwand für die Erhaltung gefährdeter Sprachen bei weitem in den Schatten; allein die Summe, die für eine einzige Vogelart (den Kalifornischen Kondor) ausgegeben wird, ist größer als der Betrag zum Schutz der mehr als 100 Ureinwohnersprachen. Als passionierter Ornithologe bin ich sehr dafür, Geld für den Kondor auszugeben, und ich würde es überhaupt nicht gern sehen, wenn Geld von den Kondor-Schutzprogrammen abgezogen und auf Sprachschutzprogramme übertragen würde. Ich stelle den Vergleich nur an, um eine in meinen Augen große Unstimmigkeit bei den Prioritäten zu verdeutlichen. Wenn wir bedrohte Vögel schützen, warum messen wir bedrohten Sprachen dann nicht mindestens einen ebenso großen Wert bei, obwohl man doch meinen sollten, dass ihre Bedeutung für uns Menschen viel einfacher zu verstehen ist?
Drittens können auch die Sprecher von Minderheitensprachen selbst eine Menge unternehmen, um ihre Sprache zu fördern. Waliser, Frankokanadier und verschiedene Gruppen der amerikanischen Ureinwohner haben das mit einem gewissen Erfolg bereits getan. Sie sind die lebenden Sachwalter ihrer Sprache und damit unter allen Menschen am besten dazu geeignet, die Sprache an ihre Kinder und andere Mitglieder ihrer Gruppe weiterzugeben und sich bei staatlichen Stellen dafür einzusetzen.
Aber mit solchen Bestrebungen stehen die Minderheiten vor einer mühseligen Aufgabe, wenn die Mehrheit sich dagegenstellt, wie es nur allzu oft geschieht. Diejenigen unter uns Mehrheitensprechern und auch unsere politischen Vertreter, die sich nicht aktiv an der Förderung von Minderheitensprachen beteiligen mögen, können zumindest neutral bleiben und brauchen sich nicht an ihrer Zerstörung zu beteiligen. Die Motive, sich so zu verhalten, sind letztlich egoistischer Natur und dienen auch den Interessen der Minderheiten: Wir hinterlassen damit unseren Kindern keine verarmte und chronisch ausgelaugte, sondern eine reichhaltige und starke Welt.
Kapitel 11 Salz, Zucker, Fett und Faulheit
Nicht übertragbare Krankheiten
Als ich 1964 mit meiner Arbeit in Papua-Neuguinea begann, lebten die Bewohner des Landes größtenteils noch nach der traditionellen Lebensweise: Sie wohnten in Dörfern, bauten ihre eigenen Lebensmittel an und ernährten sich salz- und zuckerarm. Die Grundnahrungsmittel im Hochland waren Wurzelgemüse (Süßkartoffeln, Taro und Yamswurzeln): Sie deckten bei den Hochlandbewohnern etwa 90 Prozent des Kalorienbedarfs, im Tiefland waren Stärkekörner aus
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