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Vermächtnis

Vermächtnis

Titel: Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Mitte der weltweiten Schwankungsbreite liegen, zumindest mäßige Auswirkungen auf den Blutdruck haben. Dass über die Auswirkungen von Schwankungen in diesem mittleren Bereich bis heute gewisse Meinungsverschiedenheiten bestehen, ist aus mehreren Gründen nicht verwunderlich. Der mittlere Bereich beinhaltet nur ein schmales Spektrum des unterschiedlichen Salzkonsums: Bei 48 der 52  Bevölkerungsgruppen, die in der INTERSALT -Studie untersucht wurden (das heißt bei allen Gruppen mit Ausnahme der Yanomamo und dreier weiterer Populationen mit extrem niedrigem Salzkonsum), lag die mittlere Salzaufnahme zwischen 6 und 14  Gramm pro Tag. In den meisten Bevölkerungsgruppen bestehen bei Salzkonsum und Blutdruck große individuelle Unterschiede, was Unterschiede in den Durchschnittswerten der Populationen verschleiert. Schon die Salzaufnahme überhaupt auf einheitliche Weise zu ermitteln, ist von berüchtigter Schwierigkeit, es sei denn, man schließt die Menschen für mindestens eine Woche in eine Krankenhausstation ein und misst den Salzgehalt aller aufgenommenen Lebensmittel und des in dieser Zeit produzierten Urins. Bei Yanomamo-Indianern im Dschungel ist so etwas völlig unmöglich, und auch die meisten Stadtbewohner möchten ein normales Leben außerhalb eine Stoffwechsellabors führen. Stattdessen schätzt man die Salzaufnahme in der Regel anhand des in 24  Stunden gesammelten Urins, aber solche Messwerte unterliegen von Tag zu Tag starken Schwankungen, je nachdem, ob jemand an einem bestimmten Tag gerade einen Big-Mac oder eine Dose Hühnernudelsuppe gegessen hat.
    Trotz solcher Unsicherheitsfaktoren weisen nach meiner Überzeugung sowohl viele natürliche Experimente als auch gezielte Versuche darauf hin, dass eine unterschiedlich hohe Salzaufnahme sich auch innerhalb des normalen Bereichs auf den Blutdruck auswirkt. Natürliche Experimente ergeben sich durch regionale Unterschiede, Wanderungsbewegungen und individuelle Variationen. In Neufundland und auf den Salomoneninseln nehmen Küstenbewohner mehr Salz auf als die Menschen im Landesinneren, und in den ländlichen Gebieten Nigerias ist die Salzaufnahme bei Menschen, die in der Nähe eines Salzsees leben, höher als bei anderen; in allen diesen Fällen haben die Bevölkerungsgruppen, die mehr Salz konsumieren, im Durchschnitt auch einen höheren Blutdruck. Wenn Landbewohner in Kenia oder China in die Städte ziehen, nimmt ihr Salzkonsum häufig zu, und damit steigt auch der Blutdruck. In Japan wächst die Salzaufnahme vom Süden zum Norden des Landes und erreicht ihr Maximum in der bereits erwähnten nördlichen Präfektur Akita; parallel zu den aufgenommenen Salzmengen steigt auch die Zahl der Menschen mit Bluthochdruck und der Todesfälle durch Schlaganfall. Bei den einzelnen Bewohnern einer einzigen japanischen Stadt (Takayama) steigen Bluthochdruck und schlaganfallbedingte Todesfälle mit der Salzaufnahme.
    Wie man mit gezielten Experimenten feststellen konnte, erleben Amerikaner, die 30  Jahre (mäßig) salzarme Kost verzehren, Neuguineer, die sich zehn Tage (mäßig) salzreich ernähren und Chinesen, die sieben Tage eine (mäßig) salzarme oder salzreiche Ernährung erhalten, in allen Fällen parallel zu der experimentell gesteigerten oder gesenkten Salzaufnahme einen Anstieg oder ein Absinken des Blutdrucks. In einem Wohnviertel der niederländischen Stadt Den Haag führten Epidemiologen unter Mitwirkung der Mütter eine Studie an 476  Neugeborenen durch: Sie teilten die Säuglinge (die in ihrer Mehrzahl gestillt wurden) nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen ein, die über sechs Monate Nahrungsergänzungsprodukte mit einem um den Faktor  2 , 6 unterschiedlichen Salzgehalt erhielten. Das Ergebnis: Der Blutdruck der geringfügig salzreicher ernährten Babys stieg im Laufe des halben Jahres nach und nach über den der geringfügig salzarm ernährten Kinder an; nach diesem Zeitraum endete der experimentelle Eingriff, und während der nächsten 15  Jahre aßen die Kinder, was sie mochten. Interessanterweise stellte sich heraus, dass die sechsmonatige Salzaufnahme im Säuglingsalter dauerhafte Wirkungen hatte: Kinder, die als Babys geringfügig mehr Salz aufgenommen hatten, hatten als Teenager einen höheren Blutdruck als jene, die weniger Salz zu sich genommen hatten (vielleicht weil sie dauerhaft auf eine Vorliebe für salzreiche Ernährung konditioniert worden waren). Und schließlich kam es in vier Ländern, die für eine hohe durchschnittliche

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