Vermächtnis
Wie sich dabei herausstellte, gibt es neben der Salzaufnahme weitere wichtige Risikofaktoren, darunter Übergewicht, Bewegungsmangel, ein hoher Konsum von Alkohol und gesättigten Fettsäuren sowie eine niedrige Calciumaufnahme. Dass diese Methode zuverlässig ist, zeigt sich daran, dass Hochdruckpatienten, die durch eine Veränderung ihrer Lebensweise diese mutmaßlichen Risikofaktoren verringern, häufig tatsächlich ihren Blutdruck senken können. Die altbekannten Mahnungen unseres Arztes haben wir alle schon gehört: Verringere deine Salzaufnahme und deinen Stress, nimm weniger Cholesterin, gesättigte Fettsäuren und Alkohol zu dir, nimm ab, rauche nicht und trainiere regelmäßig.
Wie funktioniert die Verbindung zwischen Salz und Blutdruck? Oder anders gefragt: Durch welche physiologischen Mechanismen führt eine erhöhte Salzaufnahme bei vielen, aber nicht allen Menschen zu einem Blutdruckanstieg? Die Erklärung hat vor allem mit einer Zunahme des Flüssigkeitsvolumens zu tun, das im Organismus außerhalb der Zellen vorhanden ist. Wenn ein gesunder Mensch mehr Salz zu sich nimmt, wird die überschüssige Menge von den Nieren in den Urin ausgeschieden. Ist aber die Salzausscheidung in den Nieren gestört, kann die Beseitigung des Salzes nicht mit der Salzaufnahme Schritt halten. Im Organismus solcher Menschen sammelt sich übermäßig viel Salz an; dies führt zu einem Durstgefühl, so dass sie Wasser trinken und das Blutvolumen steigt. Daraufhin muss das Herz stärker pumpen, der Blutdruck steigt, und unter dem höheren Druck müssen die Nieren mehr Salz und Wasser filtern und ausscheiden. Das Endergebnis ist ein neues Fließgleichgewicht, bei dem die Salz- und Wasserausscheidung zwar wieder mit der Aufnahme übereinstimmt, aber mehr Salz und Wasser im Organismus verbleiben und der Blutdruck ansteigt.
Aber warum macht sich eine erhöhte Salzaufnahme zwar bei den meisten Menschen durch höheren Blutdruck bemerkbar, aber nicht bei allen? Immerhin gelingt es den meisten Menschen, einen »normalen« Blutdruck aufrechtzuerhalten, obwohl sie mehr als sechs Gramm Salz pro Tag zu sich nehmen. (Zumindest halten Ärzte im Westen ihren Blutdruck für normal, ein Yanomamo-Arzt wäre allerdings nicht dieser Ansicht.) Die hohe Salzaufnahme als solche führt also nicht automatisch bei allen Menschen zum Bluthochdruck, sondern dies geschieht nur bei manchen Personen. Was ist bei ihnen anders?
Die Ärzte haben für Menschen, deren Blutdruck auf eine veränderte Salzaufnahme anspricht, einen eigenen Namen: Sie werden als »salzsensibel« bezeichnet. Wie sich herausstellt, ist der Anteil der salzsensiblen Menschen unter denen mit Bluthochdruck doppelt so hoch wie unter solchen mit normalem Blutdruck. Dennoch ist die Zahl der Todesfälle, die auf erhöhten Blutdruck zurückzuführen sind, nicht unter den Hypertonikern (die definitionsgemäß einen stark erhöhten Blutdruck von mehr als 140 zu 90 haben) am größten, sondern unter Personen mit normalem oder nur leicht erhöhtem Blutdruck; der Grund: Die Zahl der Menschen mit normalem Blutdruck ist weit größer als die der Hypertoniker, und das individuelle Risiko der Hypertoniker ist nicht so groß, dass es ein Gegengewicht zu der größeren Zahl der Menschen mit normalem Blutdruck schaffen würde. Was die genauen physiologischen Unterschiede zwischen Menschen mit erhöhtem und normalem Blutdruck betrifft, so spricht vieles dafür, dass das Hauptproblem der Hypertoniker irgendwo in den Nieren liegt. Transplantiert man eine Niere im Experiment von einer Ratte mit normalem Blutdruck zu einem Tier mit Bluthochdruck oder beim Menschen von einem Nierenspender mit normalem Blutdruck zu einem schwer erkrankten Hypertoniker, dem man mit der Verpflanzung hilft, so geht der Blutdruck des Empfängers zurück. Transplantiert man umgekehrt eine Niere von einer Ratte mit hohem in ein Tier mit normalem Blutdruck, so steigt bei dem Empfänger der Blutdruck an.
Auch andere Befunde weisen darauf hin, dass die Ursache des Bluthochdrucks in den Nieren liegen dürfte: Wie man heute weiß, codieren die Gene des Menschen, die Einfluss auf den Blutdruck haben, in ihrer Mehrzahl Proteine, die am Natriumhaushalt in den Nieren beteiligt sind. (Wie gesagt, Salz ist Natriumchlorid.) Eigentlich scheiden unsere Nieren das Natrium in zwei Stadien aus: Zuerst filtert der Glomerulus, eine Struktur am Anfang eines Nierenkanälchens, das (salzhaltige) Blutplasma und leitet es in das Kanälchen; im zweiten
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