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Vermächtnis

Vermächtnis

Titel: Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Salzaufnahme und entsprechend viele Schlaganfälle berüchtigt waren (China, Finnland, Japan und Portugal) durch staatliche Aufklärungskampagnen, die sich über Jahre oder Jahrzehnte erstrecken, lokal oder landesweit zu einer Abnahme des Blutdrucks und der schlaganfallbedingten Sterblichkeit. In Finnland beispielsweise ging der durchschnittliche Blutdruck während einer 20 -jährigen Kampagne zur Verringerung der Salzaufnahme zurück; dies hatte zur Folge, dass die Zahl der Todesfälle durch Schlaganfall und koronare Herzkrankheit um 75 bis 80  Prozent sank und die Lebenserwartung der Finnen um fünf bis sechs Jahre wuchs.
    Ursachen des Bluthochdrucks
    Wenn wir uns näher mit dem Problem des Bluthochdrucks beschäftigen wollen, müssen wir verstehen, welche anderen Faktoren neben der hohen Salzaufnahme seine Ursachen sein können und warum eine hohe Salzaufnahme bei manchen Menschen zu hohem Blutdruck führt, bei anderen aber nicht. Woran liegt es, dass manche Menschen einen höheren Blutdruck haben als andere? Bei fünf Prozent der Patienten mit Bluthochdruck kann man eindeutig eine einzelne Ursache identifizieren, beispielsweise ein Hormonungleichgewicht oder die Einnahme von Verhütungsmitteln. Bei 95  Prozent der Betroffenen jedoch sind solche eindeutigen Gründe nicht zu erkennen. In der Medizin wird unser Unwissen in solchen Fällen mit der Bezeichnung »essentielle Hypertonie« schöngeredet.
    Die Bedeutung genetischer Faktoren für die essentielle Hypertonie können wir einschätzen, wenn wir die Übereinstimmung des Blutdrucks bei engeren oder entfernteren Verwandten vergleichen. Unter Menschen, die in demselben Haushalt leben, haben eineiige Zwillinge, die alle ihre Gene gemeinsam haben, auch einen sehr ähnlichen Blutdruck; geringer, aber immer noch signifikant ist die Ähnlichkeit bei zweieiigen Zwillingen, gewöhnlichen Geschwistern oder einem Elternteil und seinem biologischen Kind, die jeweils ungefähr die Hälfte ihrer Gene miteinander teilen. Noch geringer ist die Ähnlichkeit bei adoptierten Geschwistern oder Adoptiveltern und -kindern, die in keiner unmittelbaren genetischen Verbindung stehen, aber in demselben häuslichen Umfeld leben. (Für diejenigen, die sich mit Statistik und Korrelationskoeffizienten auskennen: Der Korrelationskoeffizient für den Blutdruck beträgt bei eineiigen Zwillingen 0 , 63 , bei zweieiigen Zwillingen oder Eltern und leiblichen Kindern 0 , 25 und bei Adoptivgeschwistern oder Adoptiveltern und -kindern 0 , 05 .) Ein Koeffizient von 1 , 00 bei eineiigen Zwillingen würde bedeuten, dass der Blutdruck nahezu ausschließlich von den Genen bestimmt wird und dass nichts, was man nach der Befruchtung der Eizelle tut, einen Einfluss darauf hat. Offensichtlich üben unsere Gene also tatsächlich eine große Wirkung auf den Blutdruck aus, aber Umweltfaktoren spielen ebenfalls eine Rolle, denn bei eineiigen Zwillingen ist der Blutdruck zwar sehr ähnlich, aber nicht genau gleich.
    Um diese Befunde in den richtigen Zusammenhang zu stellen, kann man den Bluthochdruck mit einer einfachen, genetisch bedingten Erkrankung wie der Tay-Sachs-Krankheit vergleichen. Die Tay-Sachs-Krankheit hat ihre Ursache im Defekt eines einzigen Gens; jeder Patient, der daran leidet, trägt diese gleiche genetische Abweichung. Jeder, bei dem das fragliche Gen defekt ist, wird unabhängig von Lebensweise oder Umwelt mit Sicherheit an der Tay-Sachs-Krankheit sterben. Am Bluthochdruck dagegen sind in der Regel viele verschiedene Gene beteiligt, von denen jedes einzelne nur eine geringe Wirkung hat. Verschiedene Bluthochdruckpatienten verdanken also ihre Störung mit hoher Wahrscheinlichkeit unterschiedlichen Genkombinationen. Und ob jemand, der genetisch zum Bluthochdruck disponiert ist, tatsächlich die Symptome bekommt, hängt auch stark von der Lebensweise ab. Der Bluthochdruck gehört also nicht zu jenen seltenen, einheitlichen Krankheiten, denen die Genetiker mit Vorliebe ihre Aufmerksamkeit widmen, sondern er ist wie Diabetes oder Magengeschwüre ein ganzer Symptomenkomplex, der auf uneinheitliche Ursachen zurückzuführen ist, wobei in allen Fällen ein Wechselspiel zwischen Umwelteinflüssen und einem anfälligen genetischen Hintergrund stattfindet.
    Viele Faktoren in Umwelt und Lebensweise, die zum Bluthochdruckrisiko beitragen, konnte man durch Studien identifizieren, in denen man die Häufigkeit des Bluthochdrucks bei Personengruppen, die unter unterschiedlichen Bedingungen leben, verglich.

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