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Vermächtnis

Vermächtnis

Titel: Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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(das heißt wie die Exkremente von Neuguineern); und junge Mädchen aus Neuguinea, die den Europäern als Partnerinnen angeboten wurden, berichteten anschließend, Geschlechtsorgane und Sexualpraktiken der Europäer ähnelten stark denen der männlichen Neuguineer.
    Handel und Händler
    Eine letzte Beziehung zwischen Nachbargesellschaften neben der Verteidigung von Grenzen, dem Teilen von Ressourcen und der Kriegsführung ist der Handel. Wie hoch er bei traditionellen Gesellschaften entwickelt ist, erfuhr ich im Rahmen der Übersichtsuntersuchungen an Vögeln, die ich auf 16 Inseln in der Vitiaz-Straße vor dem Nordosten Neuguineas durchführte. Die meisten dieser Inseln waren zum größten Teil bewaldet, und es gab nur wenige Dörfer. Jedes davon bestand aus Häusern, die einige Dutzend Meter voneinander entfernt waren und mit ihrer Front an großen öffentlichen Plätzen standen. Als ich aber auf einer Insel namens Malai landete, war ich erstaunt über den Kontrast. Mir war, als wäre ich mit dem Fallschirm in einer verkleinerten Version von Manhattan niedergegangen. Dicht nebeneinander, fast wie eine Reihe New Yorker Stadthäuser, standen große, zweistöckige Holzhäuser. Es waren geradezu Wolkenkratzer im Vergleich zu den einstöckigen Hütten, die damals ansonsten auf den Inseln in der Vitaiz-Straße die Regel waren. Große, auf den Strand gezogene Einbaumkanus vermittelten den Eindruck eines Yachthafens aus der Ersten Welt, in dem alle Liegeplätze vermietet waren. Vor den Häusern waren mehr Menschen, als ich sonst irgendwo in der Vitiaz-Straße an einem Ort versammelt gesehen hatte. Eine Volkszählung von 1963 nannte für Malai 448  Einwohner; dividiert man diese Zahl durch die Fläche der Insel von 0 , 83 Quadratkilometer, so ergibt sich eine Bevölkerungsdichte von 540  Menschen pro Quadratkilometer, mehr als in jedem europäischen Staat. Zum Vergleich: Selbst in den Niederlanden, dem am dichtesten bevölkerten Staat Europas, leben auf einem Quadratkilometer nur rund 400  Menschen.
    Die bemerkenswerte Siedlung auf Malai gehörte den berühmten Siassi-Kaufleuten, die mit ihren Kanus in einem Umkreis von rund 500  Kilometern Schweine, Hunde, Töpfe, Perlen, Obsidian und andere Waren über die raue See transportierten. Den Gemeinden, die sie besuchten, boten sie eine Dienstleistung: Sie lieferten Gegenstände des täglichen Bedarfs und Luxusgüter. Indem sie damit anderen Gutes taten, profitierten sie auch selbst: Sie beschafften sich einen Teil ihrer eigenen Lebensmittel und wurden nach den Maßstäben Neuguineas, wo Wohlstand an der Zahl der Schweine gemessen wird, ungeheuer reich. Eine Reise brachte einen Gewinn von bis zu 900  Prozent: Man belud das Kanu in Malai mit Schweinen, tauschte jedes Schwein beim ersten Zwischenstopp auf der der Insel Umboi gegen zehn Pakete Sago ein, gab diese zehn Pakete an der zweiten Station, dem Dorf Sio auf dem neuguineischen Festland gegen 100  Töpfe ab, und tauschte die Töpfe beim nächsten Halt in Neubritannien gegen zehn Schweine, die nach Malai zurückgebracht und bei einem traditionellen Festmahl verspeist wurden. Bargeld wechselte traditionell nicht den Besitzer, denn Geld gab es in allen diesen Gesellschaften nicht. Die bis zu 20  Meter langen und 1 , 50 Meter tiefen Zweimastkanus der Siassi waren mit ihrer Nutzlast von rund zwei Tonnen technische Meisterwerke des Holzschiffsbaues (Abb.  32 ) .
    Wie wir aus den archäologischen Befunden wissen, trieben unsere Vorfahren schon vor mehreren zehntausend Jahren Handel. Cromagnon-Fundstätten aus dem eiszeitlichen Landesinneren Europas enthalten Bernstein von der Ostsee und Muschelschalen aus dem Mittelmeer, die man 1500 Kilometer weit landeinwärts transportiert hatte, außerdem Obsidian, Flintstein, Jaspis und andere harte Steine, die sich besonders gut zur Herstellung von Steinwerkzeugen eigneten und von ihren Abbaustellen über Hunderte von Kilometern herangeschafft worden waren. Unter den heutigen traditionellen Gesellschaften sind nur wenige den Berichten zufolge Selbstversorger, die wenig oder gar keinen Handel treiben; dazu gehören die Nganasan-Rentierhirten in Sibirien und die von Allan Holmberg studierten bolivianischen Siriono-Indianer. Die meisten traditionellen Gruppen importierten wie alle höher entwickelten Gesellschaften zumindest einige Waren. Wie wir noch genauer erfahren werden, entschlossen sich auch viele traditionelle Gesellschaften, die sich selbst hätten versorgen können, es nicht zu

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