Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vermächtnis

Vermächtnis

Titel: Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
Vom Netzwerk:
war und an dichtbevölkerte Regionen in den Niederlanden erinnerte.
    Diese letzten großen Erstkontakte zwischen Hochlandbewohnern und Europäern wurden in drei bemerkenswerten Büchern beschrieben. Das erste,
First Contact
von Bob Connolly und Robin Anderson, berichtet über die Patrouillen der Bergleute Michael Leahy, Michael Dwyer und Daniel Leahy, die zwischen 1930 und 1935 als erste Europäer in einige dichtbevölkerte Täler im Hochland des östlichen Neuguinea vordrangen (den östlichen Rand des Hochlandes hatten lutherische Missionare bereits in den 1920 er Jahren erreicht). Ein zweites, der eigene Bericht von Michael Leahy, trägt den Titel
Explorations into Highland New Guinea 1930 – 1935
. Das dritte schließlich,
The Sky Travelers
von Bill Gammage, beschreibt die staatliche australische Patrouille, die unter Leitung von Jim Taylor und John Black 1938 und 1939 durch den westlichen Teil des Hochlandes von Papua-Neuguinea zog. Die Teilnehmer beider Expeditionen machten viele Fotos, und Michael Leahy fertigte auch Filmaufnahmen an. Der entsetzte Gesichtsausdruck der Neuguineer, die im Augenblick des Erstkontaktes fotografiert wurden, vermittelt den Schock eines solchen Erlebnisses besser als alle Worte (Abb.  30 , 31 ).
    Das erste und dritte Buch haben den Vorteil, dass sie zwischen den Eindrücken, die der Erstkontakt bei den Neuguineern und den Europäern hinterließ, eine Verbindung herstellen. Beide Autoren befragten die beteiligten Neuguineer 50  Jahre nach den beschriebenen Ereignissen. Genau wie ältere Amerikaner sich für den Rest ihres Lebens daran erinnern werden, was sie im Augenblick der drei traumatischsten Ereignisse in der neueren amerikanischen Geschichte getan haben – bei Japans Angriff auf Pearl Harbor am 7 . Dezember 1941 , bei der Ermordung des Präsidenten Kennedy am 22 . November 1963 und bei dem Anschlag auf das World Trade Center am 11 . September 2001  –, so erinnerten sich auch Neuguineer, die in den 1980 er Jahren über 60  Jahre alt waren, ganz genau, wie sie 1930 als Kinder zum ersten Mal die Weißen der Patrouille von Leahy und Dwyer sahen. Ein solcher Neuguineer berichtet: »Damals waren diese größeren Männer [er zeigt auf zwei alte Männer] – die sind jetzt alt – noch junge Männer und nicht verheiratet. Sie hatten sich noch nicht rasiert. Da kamen die weißen Männer … Ich war so entsetzt, ich konnte nicht richtig denken und schrie unkontrolliert. Mein Vater zog mich an der Hand weiter, und wir versteckten uns hinter ein wenig hohem Kunai-Gras. Dann stand er auf und spähte in Richtung der weißen Männer … Als sie gegangen waren, setzen sich die Leute [wir Neuguineer] zusammen und dachten uns Geschichten aus. Sie wussten nichts von weißhäutigen Menschen. Wir hatten noch nie weit entfernte Orte gesehen. Wir kannten nur diese Seite der Berge und dachten, wir wären die einzigen lebenden Menschen. Wir glaubten, wenn jemand stirbt, würde seine Haut weiß werden und er würde über die Grenze an ›jenen Ort‹ gehen – den Ort der Toten. Als nun die Fremden kamen, sagten wir: ›Ach, diese Menschen gehören nicht auf die Erde. Wir wollen sie nicht töten – sie sind unsere Verwandten. Die Toten sind weiß geworden und zurückgekommen.‹«
    Als die Hochlandbewohner Neuguineas zum ersten Mal Europäer zu Gesicht bekamen, bemühten sie sich, diese seltsam aussehenden Wesen in die bekannten Kategorien ihrer überkommenen Weltanschauung einzuordnen. Unter anderem stellten sie sich folgende Fragen: Sind diese Wesen Menschen? Warum sind sie hierhergekommen? Was wollen sie? Oftmals hielten die Bewohner Neuguineas die Weißen für »Himmelsmenschen«, das heißt für Menschen wie sie selbst, die aber angeblich den Himmel bewohnten, Handel betrieben, sich liebten und Krieg führten wie sie, aber unsterblich waren. Man glaubte, sie seien entweder Waldgeister oder Geister der Vorfahren, die gelegentlich Menschengestalt annahmen, rot oder weiß waren und zur Erde herabstiegen. Während des Erstkontakts beobachteten die Bewohner Neuguineas sehr genau die Europäer, ihre Verhaltensweisen und den Müll, den sie in ihren Lagern hinterließen, um daraus Anhaltspunkte dafür abzuleiten, was sie für Wesen waren. Insbesondere zwei Entdeckungen trugen erheblich dazu bei, die Neuguineer davon zu überzeugen, dass die Europäer tatsächlich Menschen waren: Die Exkremente, die sie aus den Latrinen in ihren Lagern holten, sahen wie typisch menschliche Exkremente aus

Weitere Kostenlose Bücher