Vermächtnis
Vertrag unterzeichnet, wonach er dem Käufer 100 Hühner zu sieben Dollar das Stück verkaufen muss, und dann bricht der Verkäufer den Vertrag, indem er die Hühner nicht liefert; nun muss der Käufer auf dem freien Markt 100 Hühner zum höheren Preis von zehn Dollar pro Stück kaufen, womit der Käufer gezwungen ist, 300 Dollar mehr als die vertraglich vereinbarte Summe zu zahlen. Vor Gericht wird der Verkäufer dazu verurteilt werden, dem Käufer diesen Schaden von 300 Dollar zu ersetzen, außerdem alle Kosten, die durch den Abschluss des neuen Vertrages entstanden sind, plus vielleicht noch Zinsen für den verlorenen Nutzen an den 300 Dollar; damit wird der Käufer (zumindest nominell) wieder in die Lage versetzt, in der er gewesen wäre, wenn der Verkäufer den Vertrag nicht gebrochen hätte. Ganz ähnlich verhält es sich im Fall eines angerichteten Schadens: Das Gericht wird sich darum bemühen, die Höhe des Schadens zu berechnen, was allerdings bei körperlichen oder emotionalen Verletzungen eines Menschen schwieriger ist als bei der Schädigung von Eigentum. (Ich kann mich noch erinnern, wie ein befreundeter Anwalt einmal einen Motorbootbesitzer vertrat, dessen Bootspropeller einen älteren Schwimmer am Bein verletzt hatte: Er argumentierte gegenüber dem Gericht, das verletzte Bein habe nur einen geringen Wert, weil das Opfer bereits im fortgeschrittenen Alter gewesen sei und auch vor dem Unfall nur noch mit einer geringen Lebensdauer zu rechnen hatte.)
Oberflächlich betrachtet, scheint die Berechnung des Schadens durch den Staat dem Schadenersatz zu ähneln, der in Neuguinea oder bei den Nuer ausgehandelt wird. Das muss aber nicht unbedingt stimmen. Die Höhe der üblichen Ausgleichszahlung für manche Vergehen in Neuguinea oder bei den Nuer (bei Letzteren beispielsweise 40 bis 50 Kühe für die Tötung eines Menschen) könnte man zwar als Schaden interpretieren, in anderen Fällen wird der nichtstaatliche Schadenersatz aber auf jede Summe berechnet, auf die sich die Konfliktparteien einigen können und die sie als Grundlage betrachten, um ihre verletzten Gefühle hinter sich zu lassen und ihre Beziehung wieder aufzunehmen: Diesem Zweck dienten zum Beispiel die Schweine und andere Waren, die meine Freunde aus dem Goti-Dorf an die Clans zahlte, die den Vater meines Goti-Freundes Peter getötet hatten.
Schwächen der staatlichen Ziviljustiz
Die Schwächen unserer staatlichen Ziviljustiz werden von Anwälten, Richtern, Klägern und Beklagten gleichermaßen umfassend diskutiert. Die Fehler des amerikanischen Systems sind in anderen Staatsgesellschaften unterschiedlich stark ausgeprägt. Ein Problem besteht darin, dass die gerichtliche Beilegung ziviler Meinungsverschiedenheiten in der Regel lange dauert; oftmals sind es bis zu fünf Jahre, weil Strafprozesse Vorrang vor Zivilprozessen haben und weil Richter manchmal von Zivilgerichten an Strafgerichte abgeordnet werden, um dort Fälle zu verhandeln. Als ich beispielsweise den Entwurf für diesen Absatz verfasste, wurden im Kreis Riverside unweit meiner Heimatstadt Los Angeles keine Zivilprozesse abgehalten, weil man einen großen Rückstand an Strafverfahren hatte. Die Folge sind fünf Jahre ohne Lösung, mit einem Leben in Unsicherheit und emotionalen Qualen, während es nur fünf Tage dauerte, den von Malo verursachten Unfalltod von Billy abzuhandeln. (Der Stammeskrieg, der möglicherweise die Folge gewesen wäre, wenn man den Fall von Malo und Billy nicht durch Verhandlungen beigelegt hätte, könnte sich allerdings durchaus über mehr als fünf Jahre hingezogen haben.)
Eine zweite häufig beklagte Schwäche der staatlichen Ziviljustiz in den Vereinigten Staaten besteht darin, dass die unterlegene Partei in den meisten Fällen nicht die Anwaltskosten des Gegners bezahlen muss, es sei denn, dies wäre in dem umstrittenen Vertrag von vornherein festgelegt gewesen. Häufig wird die Ansicht vertreten, dies schaffe ein Ungleichgewicht zugunsten der wohlhabenderen Partei (ganz gleich, ob es sich um den Kläger oder den Beklagten handelt), und auf einen weniger wohlhabenden Kläger werde damit Druck ausgeübt, sich mit weniger als dem tatsächlichen Verlust zufrieden zu geben, während ein weniger wohlhabender Beklagter die Sache nur durch Zahlung einer unverschämt hohen Forderung beilegen könne. Das ist der Grund, warum wohlhabende Prozessparteien mit teuren Gerichtsverfahren drohen, Verzögerungstaktik anwenden und endlose Beweisanträge
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