Vermächtnis
stellen, um den Gegner finanziell auszubluten. Es ist unlogisch, dass das Ziel der Ziviljustiz darin bestehen soll, die geschädigte Partei in den vorherigen Zustand zu versetzen, ohne dass der Verlierer die Anwaltskosten des Gewinners zahlen muss. In Großbritannien und anderen Ländern dagegen muss der Verlierer dem Gewinner zumindest einen Teil seiner Aufwendungen und Kosten ersetzen.
Der letzte Schwachpunkt der staatlichen Ziviljustiz ist am ehesten grundsätzlicher Natur: Die Gerichte beschäftigen sich mit Schäden, während emotionale Verarbeitung und Versöhnung zweitrangig oder unwichtig sind. Bei Zivilstreitigkeiten zwischen Fremden, die einander nie wieder begegnen werden (beispielsweise zwei Personen, die mit ihren Autos zusammengestoßen sind), könnte man in manchen Fällen etwas tun, um die emotionale Verarbeitung zu fördern und ein lebenslanges Erbe der ungelösten Verhältnisse zu vermeiden, selbst wenn man dazu nur beiden Parteien (ihr Einverständnis vorausgesetzt) die Gelegenheit gibt, sich gegenseitig ihre Gefühle mitzuteilen und den anderen als Menschen mit eigenen Motiven und eigenem Leiden wahrzunehmen. Dies ist manchmal selbst unter extremen Umständen möglich, beispielsweise wenn ein Beteiligter einen engen Angehörigen des anderen getötet hat. Der Austausch, der zwischen Gideon und Billys Vater stattfand, war besser als überhaupt keine Verständigung, und das Gleiche galt auch für den Austausch zwischen dem Senator Edward Kennedy und den Eltern von Mary Jo Kopechne: Damals hatte Kennedy aus eigenem Antrieb den Mut, die Eltern zu besuchen, deren Tochter aufgrund seiner groben Fahrlässigkeit ums Leben gekommen war, und ihnen ins Gesicht zu sehen.
Am schlimmsten sind die unzähligen Prozesse, in denen die Parteien potentiell durchaus die Aussicht auf eine fortdauernde Beziehung hätten: geschiedene Ehepaare mit Kindern, Geschwister bei Erbstreitigkeiten, Geschäftspartner oder Nachbarn. Der juristische Ablauf hilft ihnen nicht, mit ihren Gefühlen fertig zu werden, sondern am Ende sind die Gefühle oftmals schlechter als zuvor. Wir alle kennen Prozessparteien, deren Beziehung durch die juristischen Erfahrungen für den Rest ihres Lebens vergiftet war. Ich möchte nur die letzte aus einer langen Liste solcher Geschichten bei meinen eigenen Bekannten erzählen: Eine gute Freundin und ihre Schwester wurden in einem Erbrechtsprozess zwischen ihrem Bruder und ihrem Vater vorgeladen – die beiden hatten einander verklagt. Der Prozess hinterließ eine so große Verbitterung, dass meine Freundin und ihre Schwester heute von ihrer eigenen Stiefmutter verklagt werden, und sowohl meine Freundin als auch ihre Schwester rechnen damit, dass sie während ihres ganzen Lebens nie wieder ein Wort mit ihrem Bruder sprechen werden.
Um diese grundlegende Schwäche unserer Ziviljustiz abzumildern, wird häufig der Vorschlag gemacht, man solle verstärkt auf Vermittlungsprogramme setzen. Es gibt sie, und häufig sind sie hilfreich. Aber wir haben nicht genug Schiedsleute und Familienrichter, unsere Schiedsleute sind zu wenig auf ihre Aufgabe vorbereitet, und unsere Familiengerichte sind personell wie auch finanziell zu schlecht ausgestattet. Dies hat zur Folge, dass Paare in einem Scheidungsverfahren häufig nur noch über ihre Anwälte miteinander verkehren. Wer schon öfter Verhandlungen vor dem Familiengericht miterlebt hat, weiß genau, dass sich dort manchmal schreckliche Szenen abspielen. Damit eine Vermittlung Erfolg haben kann, muss man zuallererst dafür sorgen, dass die Parteien sich wohl fühlen, und das ist meist durch die Gegebenheiten vor Gericht unmöglich. Kinder geraten dabei oftmals in die Mühlen der Diskussion zwischen den scheidungswilligen Eltern.
Häufig fordert der Richter die Parteien zu einem Gütetermin auf, bevor er den Fall vor Gericht verhandelt. Aber damit eine Vermittlung oder ein Gütetermin Erfolg hat, muss der Vermittler Zeit aufwenden und geschickt sein. Die Vermittlung erfordert häufig viel mehr Zeit, als für einen verpflichtenden Gütetermin vorgesehen ist. Selbst wenn die Beteiligten in Zukunft keinerlei Beziehung mehr zueinander haben werden, würde eine erfolgreiche Vermittlung die zukünftige Belastung der Justiz vermindern: Eine solche Belastung ergibt sich, wenn die Parteien die Mühen eines Prozesses auf sich nehmen oder wenn sie mit der Entscheidung unzufrieden sind und später eine Wiederaufnahme verlangen, oder wenn sie sich erst nach langem,
Weitere Kostenlose Bücher