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Vermählt mit einem Fremden

Vermählt mit einem Fremden

Titel: Vermählt mit einem Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ANNE O'BRIEN
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durchschauen.
    Und schon drängte sich wieder die grimmige Stimme ihres Bruders in ihre Gedanken. „Sie haben meine Schwester kompromittiert, Venmore, ich verlange, dass Sie ihre Ehre wiederherstellen.“
    Ihr verkrampfte sich schmerzhaft der Magen. „Nein! Da war nichts Unehrenhaftes“, keuchte sie.
    „Sei still!“, fauchte Wallace. „Misch dich nicht ein! Obwohl manch einer sagen wird, dass du es dir selbst zuzuschreiben hast, bei deinen Kapriolen mit dem Freihandel. Das hier regele ich ! Glaubst du, du könntest noch auf eine standesgemäße Heirat rechnen, wenn das hier herauskommt? Und herauskommen wird es!“
    „Dagegen gibt es dann wohl nur ein Mittel, nicht wahr?“, warf der Earl dem hitzigen Ausbruch sehr kühl entgegen. Langsam, aber entschieden trat er zu Harriette, wobei er sie unverwandt ansah, in seinen Augen loderte es, und sie las unbändige Wut wegen der Hinterlist ihres Bruders darin. Dennoch verneigte er sich vor ihr mit unvergleichlicher Eleganz.
    „Miss Lydyard, es gibt nur eine Lösung, um Ihren guten Ruf vor den Augen der Welt wiederherzustellen. Wollen Sie mir die Ehre geben und meine Hand zur Ehe annehmen?“
    Eine Ehe! Sie sollte dieses Mannes Gattin werden? Wieder wallte Hitze in ihr auf. Wenn sie nach Herzenslust wählen könnte, würde sie dann nicht dieses Geschenk annehmen, das ihr so dargeboten wurde, wie es in den Märchen ihrer Kindheit geschah? Ein kostbares Juwel, auf seidenem Kissen dargebracht? Sie mochte ihn als Verräter verurteilt haben, doch nun musste sie anerkennen, dass er zutiefst ehrenhaft handelte, nur um sie vor Schande zu bewahren, wie einst der Ritter den Drachen schlug – in diesem Falle Wallace – und das edle Burgfräulein auf seinem Ross davontrug.
    Würde dieser wundersame Antrag nicht ihre berauschenden Träume wahr werden lassen?
    Doch Harriette hörte sich antworten, in ebenso sachlichem Ton, wie der seine gewesen war: „Nein, Mylord. Das ist unnötig. Wie wir beide wissen, erhielt mein Bruder falsche Informationen. Ich danke Ihnen und werde Ihre Güte und Opferwilligkeit nie vergessen, aber ich muss Ihren hochherzigen Antrag ablehnen.“
    Sie sah, dass er stutzte. Seine Kiefermuskeln spannten sich. Damit hatte er nicht gerechnet.
    „Verstehen Sie möglicherweise die Situation nicht, Miss Lydyard?“
    „Ich bin kein Dummkopf, Mylord“, sagte sie auffahrend, suchte jedoch sofort, ihr Temperament zu zügeln. „Ich verstehe die Situation sehr genau. Soweit ich sehe, gibt es zwischen uns beiden keine Situation.“ Sie keuchte auf, als ihr Bruder mit schmerzhaftem Griff ihr Handgelenk packte, und zerrte vergeblich, um sich loszumachen.
    „Sei doch vernünftig, du närrisches Ding!“
    „Sir Wallace“, unterbrach der Earl ihn mit eisiger Stimme und hob entschieden abwehrend eine Hand. „Ich muss mit Ihrer Schwester unter vier Augen sprechen, einen Augenblick nur. Gibt es eine Bibliothek oder einen Salon, wohin wir uns kurz zurückziehen können?“
    Sir Wallace plusterte sich zu voller Größe auf. „Das kann ich nicht zulassen, es ist höchst ungehörig …“
    „Sir“, antwortete der Earl scharf und ohne darum herumzureden, „wenn ich, wie Sie unterstellen, die Nacht mit Miss Lydyard hinter verschlossenen Türen verbracht, sie in mein Bett gelockt, meine Gelüste an ihr gestillt und so ihren Ruf zerstört habe, werden fünf gemeinsame Minuten in einer Bibliothek im hellen Tageslicht das Ganze auch nicht noch schlimmer machen können.“
    Harriette erstarrte bei der brutalen Beschreibung dessen, was nicht stattgefunden hatte. Und wünschte, wenn auch nur einen Herzschlag lang, es hätte stattgefunden.
    „Nun gut, fünf Minuten“, stimmte Sir Wallce missmutig zu. „Führ Seine Lordschaft in die Bibliothek, Mädel, und bemüh dich um etwas Vernunft, du Dickschädel.“
    Lucius folgte Harriette die Treppe hinunter in eine Bibliothek, die ebenso verstaubt und unbenutzt war wie das übrige Haus. Die Möbel waren mit Überzügen verhängt, die Lederrücken der wenigen Bücher in den Regalen sahen stumpf und ungepflegt aus.
    Harriette schloss die Tür fest und verschanzte sich strategisch hinter einem mitten im Raum stehenden Stoffberg, unter dem sich offensichtlich ein Sofa verbarg. Entschlossen, mit blitzenden Augen, wandte sie sich dem Earl zu. So stolz sie auf ihre bis dahin geübte Zurückhaltung war, konnte sie doch einfach nicht länger schweigen, selbst wenn das hieß, dass sie von dem erfreulichen Bild ablassen musste, das die

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