Vermählt mit einem Fremden
Ihnen ein aufmerksamer, großzügiger Gatte zu sein, Miss Lydyard. Ich werde Ihren Namen und Ihre Ehre mit aller mir zu Gebote stehenden Kraft verteidigen. Ich werde Sie nicht stärker behelligen, als Sie wünschen, und als Gegengabe werden Sie mir erlauben, die Ghost zu benutzen. Miss Harriette Lydyard, wollen Sie mir die Ehre erweisen und meine Hand zur Ehe annehmen?“ In seinem Ton fehlte die Wärme, die man normalerweise von einem Bräutigam erwartete, in dessen Hände eine Frau ihr Schicksal zu legen gewillt war, doch er küsste ihre Hand.
So kühl seine Lippen über ihre Haut strichen, entfachten sie dennoch eine kleine Flamme in Harriettes Herz.
„Es wäre mir lieb“, fügte er hinzu, „in der vornehmen Gesellschaft käme es unserem Ruf zugute, und es würde einige Ihrer Probleme lösen.“
Ein Heiratsantrag. Unentschlossen zögerte Harriette. Wie unnahbar, wie streng er wirkte, als bedeutete es ihm nichts. Und vielleicht war es ja auch so. Nein, sie brachte es einfach nicht über sich, es würde ihr mehr Kummer als Glückseligkeit bringen. Doch dann lächelte er sie an. Wie unglaublich charmant er lächeln konnte! Es machte ihn gefährlich anziehend. Und jäh sah Harriette sich straucheln; sie vergaß, dass es reichlich vernünftige Gründe gegen diesen Schritt gab. So gewinnend war sein Lächeln! Er hielt ihren Blick fest, und sie fühlte sich wie von einem Sog fortgerissen. Wenn sie sich nicht in Acht nahm, würde die Welle sie überrollen, und dann wäre sie verloren …
„Miss Lydyard? Von Ihrer Antwort hängt meine Zukunft ab.“
„Tatsächlich?“ Sie schaute ihn skeptisch an.
„Tatsächlich, Miss Lydyard“, entgegnete er ein wenig ungeduldig.
Natürlich musste sie antworten. Mit trockenem Humor sagte sie: „Ihre Zunge ist glatt wie Seide, Mylord. Ich bedauere nur eines: dass ich meinem Bruder einen Gefallen tue, wenn ich zustimme.“
„Er muss Sie nicht mehr interessieren. Für Sie, Miss Lydyard, zählt nur eins: Wenn Sie meinen Antrag annehmen, gehören Sie zu mir.“
Er war unverschämt, ungeheuer besitzergreifend, sehr männlich und sehr Vertrauen einflößend. Ihr Herz hüpfte nachgerade – und begann zu rasen, als er sie fester fasste und sanft zu sich zog. Will er mich küssen?, fragte sie sich, plötzlich von Furcht erfasst.
„Vielleicht sollten Sie wissen, Mylord, dass ich nicht nur nicht tanzen kann, sondern auch noch nie geküsst wurde.“
„Dann wird es mir eine Freude sein, Sie zu lehren, wie man es macht. Es wird unser Bündnis besiegeln.“
Wie er sie küsste, überraschte sie; sehr zart, mehr ein sanfter Hauch als ein Berühren ihrer Lippen. Sie merkte, dass er sie bewusst nicht erschrecken wollte. Mit einem leisen Aufseufzen trat sie einen winzigen Schritt näher, und der Earl umschlang sie mit seinem gesunden Arm und zog sie enger an sich, hielt sie fest an seiner Brust; sie spürte den Druck seiner Schenkel, und seine Lippen, warm und zärtlich, tupften lockend über die ihren. In dieser unerwarteten Umarmung war ihr, als ob all ihre Sinne jäh und erschreckend zum Leben erwachten; sein Duft, seine Berührung schienen wie ein Streicheln und weckten ein unvorstellbares Entzücken in ihr. So sanft die Begegnung auch war, kam es ihr doch vor, als müsse sie vor Wonne vergehen. Bis er sie losließ und einen letzten liebkosenden Kuss auf ihre Stirn drückte.
„Also ist es abgemacht? Es wäre unschicklich, eine Dame zu küssen, die nicht mit mir verlobt ist.“
Harriette, völlig verzaubert, keuchte bei diesem Anflug von Humor leise auf. Sie konnte ihm wohl kaum sagen, dass er ihr gerade den Atem geraubt hatte und ihr Herz dazu. „Dann muss ich wohl einwilligen, Mylord, nicht wahr? Denn ich neige nicht dazu, jedem beliebigen Herrn einen Kuss zu gestatten. Nur um eins möchte ich Sie bitten.“ Um ihn nicht ihre aufsteigende Furcht sehen zu lassen, schlug sie den Blick nieder.
„Da Sie mir das Leben retteten, bin ich wohl verpflichtet, Ihnen jede Bitte zu gewähren.“
„Ich möchte keine große Hochzeit, nicht in London.“
„Nun gut. Wo denn?“
„Hier. Per Sonderlizenz.“
„Dann soll es so sein.“
Erleichtert atmete sie auf, wunderte sich jedoch, dass er so bereitwillig zustimmte. Er hatte nicht einmal um eine Erklärung gebeten – die sie sowieso nicht geben mochte. „Wenn ich von hier entkommen kann, dann auch rasch. Kennen Sie einen Bischof, Mylord?“
„Das kann ich wohl behaupten. Übrigens, ich heiße Lucius.“
„Lucius“,
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