Vermählt mit einem Fremden
bis sie zusammenzuckte.
„Verzeih … verzeih …“, murmelte er nachgebend, ohne sich ganz von ihr zu lösen. Was seine Willenskraft auch überstiegen hätte, da sie ihm ihre weichen Lippen erneut darbot. Heiß schoss die Erregung durch seinen Körper. Beide hatten sie das Abenteuer überlebt; sollte man das nicht einfach feiern?
Nur mit äußerster Anstrengung gelang es ihm, sich zurückzuhalten. Er ließ sie los. „Du bist zu süß und begehrenswert“, raunte er, „aber so schrecklich erschöpft. Dir fallen schon die Augen zu. Du musst schlafen.“
„Ich muss dir etwas sagen … die Schüsse …“
„Später. Und übrigens weiß ich Bescheid.“
„Ich dachte es mir fast.“
Als er sie behutsam aufhob und zum Bett trug, sträubte sie sich nicht, denn sie konnte sich kaum auf den Beinen halten. Er ließ sie sanft auf das Laken sinken, deckte sie liebevoll zu und rückte ihr die Kissen bequem zurecht.
Ehe sie in Schlaf sank, murmelte sie: „Wir haben es geschafft, Luke, wir haben sie gerettet …“
„ Du hast sie gerettet. Wenn du ausgeschlafen hast, erzählst du mir, was du mit Captain Rodmell gemacht hast.“
„Wirst du noch hier sein?“
„Ja, ich werde dich nicht verlassen.“
Er stand nur da und schaute auf sie nieder, sog ihr Bild in sich ein. Seine Liebe, die er so frisch entdeckt hatte, als sie ihn verließ, war voll erblüht und so stark, dass es ihn erstaunte. Aber es war zu spät. Er liebte sie ohne Einschränkungen, doch er hatte ihr die Freiheit versprochen. Seine Ehre gebot ihm, sein Wort zu halten. Es war zum Verzweifeln!
Langsam ging er zum Fenster und schloss die Vorhänge, um das helle Tageslicht auszuschließen. Dann zog er einen Stuhl dicht ans Bett, setzte sich, und obwohl er wusste, dass er Harriette besser in Ruhe schlafen lassen sollte, konnte er nicht anders, als ihre Hand, die auf der Bettdecke lag, zu umfangen und zärtlich zu streicheln. Lächelnd betrachtete er die Innenfläche. Noch ein Widerspruch. Schlank und weiblich, aber rau und ein wenig schwielig von der Arbeit mit den Segeltauen. Das war seine Harriette. So hübsch, so zupackend. Sanft schob er ihr eine Strähne aus dem Gesicht und beugte sich nieder, um ihr zärtlich Stirn und Lippen zu küssen.
Erneut packte ihn das Grauen, als er sich ausmalte, was hätte geschehen können. Sie wäre beinahe gestorben, nur weil sie ihm zuliebe diesen Törn gewagt hatte, und die Frau, um deren Rettung es ging, war vielleicht nur eine herzlose Schauspielerin.
Auch ihn übermannte die Erschöpfung. Er schlief ein, Kopf und Oberkörper sanken neben Harriette auf die Decke, so wie sie damals geschlafen hatte, als sie über ihn wachte.
Jemand rüttelte ihn leicht. Er war sofort hellwach und sprang auf. Neben ihm stand Meggie.
„Was ist los? Ist sie …“
„Sie schläft. Sie sollten sich auch hinlegen, Mylord.“
„Sie tun, als hätte ich kein Recht, bei ihr zu sein. Sie ist meine Frau.“
„Ja, aber sie hat Sie verlassen; warum, weiß ich nicht, und Sie mögen sagen, dass es mich auch nichts angeht. Aber sie würde das nicht grundlos getan haben.“
Zart strich er über Harriettes Finger. „Sie hatte Grund genug.“
Mutlos schaute er auf Harriette nieder. Ihr Leben war nicht in Gefahr, wozu also bleiben? Gut, er hatte es versprochen, doch sie brauchte ihn nicht, und Meggie wollte ihn loswerden.
Etwas weicher sagte die Frau: „Gehen Sie, Mylord, baden Sie; kleiden Sie sich um. Ich kümmere mich um Harriette.“
„Ja, ich weiß. Sie braucht mich nicht. Aber ich liebe sie.“
„So? Weiß sie das?“
„Es spielt keine Rolle mehr.“
„Ihretwegen ist sie ausgefahren und wurde verletzt. Wollen Sie ihr auch noch das Herz brechen?“, zischte sie.
Mit einem Gefühl, als hätte man ihm selbst das Herz aus dem Leibe gerissen, ging Lucius stumm hinaus.
Doch er zog sich nicht um. Da war etwas, das ihm keine Ruhe ließ. Er stöberte Wiggins auf und befragte ihn, vom Inhalt eines Krugs Brandy unterstützt, über die Geschehnisse jener fernen Nacht, in der die Lion d’Or in der Bucht unterhalb Lydyard’s Pride zerschellte.
Erst gegen Mittag erwachte Harriette aus so tiefem Schlaf, dass sie nur mühsam in die Gegenwart zurückfand. Als sie sich reckte, entfuhr ihr unwillkürlich ein Aufschrei, so sehr schmerzte ihre Seite. Endlich erinnerte sie sich auch an die vergangene Nacht. Hatte Luke nicht versprochen, bei ihr zu bleiben? Doch nun war er nicht da. Vielleicht war es ja besser so, denn obwohl ihr
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