Vermaehlung um Mitternacht
legte es sich probeweise um die Hüften, doch zeigte es mehr, als es verbarg.
Er ließ es wieder fallen, griff zum rüschenreichen Morgenrock und befestigte ihn um seine Hüften. Er wallte ihm in duftigen Kaskaden bis zum Knie, doch daran konnte er jetzt auch nichts ändern.
Leise über die Unannehmlichkeiten schimpfend, welche die Ehe mit einer unabhängigen Frau mit sich brachte, öffnete er die Tür und spähte in den Flur. Er hoffte wider alle Vernunft, dass draußen keiner seiner Dienstboten zugange wäre, die sich immer in alles einmischten.
Gott sei Dank war niemand zu sehen; nur von unten drang Mrs. Winstons Stimme herauf. Erleichtert machte er die Tür weiter auf, beugte sich hinaus und guckte sich auf dem Boden nach seinem Morgenrock um.
„Guten Morgen, Mylord.“ Burroughs stand in Alecs Tür. „Chilton fand Ihren Morgenrock heute früh, als er Ihnen das Wasser zum Waschen brachte. Ich glaube, er macht Myladys Pagen für den Zwischenfall verantwortlich.“
Alecs Gesicht wurde heiß, doch er wich nicht zurück. „Bestimmt weiß er, dass ich ihn dort liegen gelassen habe.“
„Gewiss, Mylord. Wenn Sie ausgiebig genug im Flur herumgelungert haben, möchten Sie dann Ihr Frühstück?“
„Ich lungere nicht herum !“
Der Butler musterte Alecs behelfsmäßigen Lendenschurz. „Wie Sie meinen, Mylord.“
Alec ignorierte das Bedürfnis, in sein Zimmer zu flüchten und die Tür hinter sich zuzuknallen, und band den Morgenrock fester.
„Haben Sie meine Frau gesehen?“
„Ja, Sir. Sie ging früh am Morgen aus dem Haus.“
„Hat sie gesagt, wohin sie will?“
„Johnston klagte, dass er nach Whitechapel müsse, Mylord. Ich denke, dass sie zu einer ihrer Versammlungen ging.“ Der Butler machte eine Pause und fügte dann ehrerbietig hinzu: „Mir schien, als sei Ihre Gattin etwas verstört.“
Dahin also war sie gefahren. Alec zweifelte nicht daran, dass Julia dieser Gang sehr schwer fiel. Engagiert, wie sie war, brach es ihr bestimmt das Herz, die Vereinigung im Stich zu lassen. Er runzelte die Stirn. Sie hätte auf ihn warten sollen, damit er sie begleitete.
Auf der Treppe vernahm man Chiltons unverwechselbaren Trippelschritt.
„O Gott“, murmelte Alec. Er straffte die Schultern und marschierte in sein Zimmer. Im Vorbeigehen starrte er Burroughs noch warnend an. „Kein Wort zu den anderen.“
„Das würde mir nie im Leben einfallen, Mylord.“ Sein trockener Ton verriet eine Spur Belustigung.
Längst nicht mehr guter Laune, schlug Alec die Tür hinter sich zu. Auch wenn Julia nur das tat, was er verlangt hatte, wurmte es ihn, dass sie so einfach aus dem Bett springen und in die Stadt fahren konnte, als wäre letzte Nacht nichts Bedeutendes passiert. Verdammt, wenn er an diesem Morgen ein wenig zittrig auf den Beinen war, konnte man das von ihr ja wohl auch erwarten.
Wütend riss er den Schrank auf, zog ein Hemd heraus und warf es aufs Bett. Wie konnte sie einfach so aufstehen und ohne ein Wort ausgehen? Etwas so Herzloses hatte er von seiner großzügigen, liebenswürdigen Gattin nicht erwartet. Und das, wo er ihr beim Aufwachen doch eigentlich neue Freuden hatte bescheren wollen!
Alec goss Wasser in die Schüssel und wusch sich das Gesicht. Als er nach dem Handtuch griff, erblickte er plötzlich sein Spiegelbild. Zum ersten Mal seit vielen Wochen zeigte sich in seinen Augen keine Erschöpfung. Er rieb sich über das stoppelige Kinn und erinnerte sich sofort daran, wie Julias Lippen auf den seinen gelegen hatten, wie sich ihre Arme um seinen Hals, ihre Beine um seine Hüften geschlungen hatten.
Nackt sah sie aus wie eine Waldfee: schlank und zart, mit kleinen Brüsten. Sie war eine Sirene, die tagsüber in den Kleidern der Rechtschaffenen auftrat und sich durch eine gesetzte Brille und sittsames Betragen schützte. Doch nachts verwandelte sie sich in eine Wildkatze, gab sich verspielt und verführerisch - und war schöner und lebendiger als alle Frauen, die er je gekannt hatte.
Mrs. Winstons Stimme drang durch die geschlossene Tür. „Himmel! Jemand hat das Zimmer der Herrin verwüstet! Die Laken sind ja vom Bett gerissen.“
„Seine Lordschaft hat nicht in seinem Zimmer geschlafen“, erklärte Chilton schmunzelnd.
„Na, das wurde ja auch Zeit.“ Mrs. Winstons Gekicher zerrte an Alecs bloßliegenden Nerven. „Wahrhaftig, ich habe schon befürchtet, Sie müssten einmal mit ihm über seine ehelichen Pflichten sprechen.“
Das Gekicher der Haushälterin war ihm schon auf die
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