Vermaehlung um Mitternacht
nicht entgegen treten, nicht wo ihre Liebe zu ihm so in den Vordergrund geraten war, dass er die Wahrheit auf einen Blick erkannt hätte. Sie brauchte Zeit, um sich zu sammeln und sich gegen ihre Gefühle zu wappnen.
Eines Tages würde er sie auch lieben. Aber es wäre fatal, ihn unter Druck zu setzen. Sie wollte ihn sanft umwerben, ihn den Wert der wahren Liebe lehren, wie schön es war, wenn man sich aus anderen etwas machte. Vielleicht war das doch der richtige Weg, ihn zu bessern.
Jetzt jedoch musste sie sich erst einmal beruhigen. Zum Glück war für diesen Morgen eine Zusammenkunft der Vereinigung angesetzt. Im Morgengrauen hatte Julia ihr Haar aufgesteckt und war dann noch einmal am Bett stehen geblieben, um auf den schlafenden Alec zu blicken. Zerzaust und jungenhaft hatte er ausgesehen, und das Haar war ihm in die Stirn gefallen. Beinahe hätte sie ihn berührt, hielt sich dann jedoch zurück. Mit einem tiefen Seufzer verließ sie das Zimmer.
Sie erreichte Whitechapel, gerade als Lord Burton aus der Kutsche stieg. Er scherzte in einer Tour, während er sie ins Büro des Pfarrers geleitete, wo der restliche Vorstand bereits zusammengekommen war. Sie bekam nicht viel mit von der Versammlung.
Julia versuchte, sich auf das Geschehen zu konzentrieren, doch dauernd tauchten Bilder der vergangenen Nacht vor ihrem geistigen Auge auf, so dass sie nicht mehr in der Lage war zu reden. Zweimal vergaß sie mitten im Satz, was sie hatte sagen wollen. Verstört verabschiedete sie sich, sobald es irgend ging, und huschte aus der Tür.
Auf der Vordertreppe blieb sie mit heftig klopfendem Herzen stehen. „Alec.“
Er lehnte unten am Geländer, die Hände in den Taschen. Seine Augen lagen im Schatten der Hutkrempe. „Ich bin gekommen, um dich nach Hause zu bringen.“
Julia blickte sich vorsichtig um, erleichtert, dass ihr keiner gefolgt war. „Du solltest nicht hier sein.“
Er biss die Zähne zusammen. „Vielleicht wird es ja allmählich Zeit, dass die anderen von deinem Ehemann erfahren.“
„Dafür ist es jetzt ein bisschen zu spät.“ Sie lief an ihm vorbei und hielt Ausschau nach Johnston, der hinter Alecs Jagd wagen mit der Kutsche hätte warten sollen.
„Ich hab ihn heimgeschickt“, erklärte Alec. „Steig ein, Julia.“ „Aber ich will gar nicht nach Hause. Ich komme heute erst spät zurück. Ich habe eine Menge Sachen zu erledigen. Ich muss ein Buch in der Leihbücherei zurückgeben, und außerdem hat Lady Birlington mich ausdrücklich gebeten, zum Tee zu kommen.“ Das sollte ihm eigentlich beweisen, dass die letzte Nacht sie nicht im Mindesten berührt hatte.
Und doch wirkte er alles andere als erfreut. Sein Mund war schmal vor Zorn. „Das kann alles warten.“ Er zog sie zum Jagdwagen, ohne ihr Zeit für Einwände zu lassen.
Unmutig nahm Julia ihren Platz ein. „Ich begreife nicht, warum du dich nicht gedulden kannst, bis ich wieder zu Hause bin.“
Alec stieg neben ihr ein und warf dem Jungen, der die Pferde gehalten hatte, eine Münze zu. „Weil ich nicht will, dass sich unsere vermaledeiten Dienstboten einmischen, während wir die Sache ein für alle Mal klären.“
„Was für eine Sache?“
Er funkelte sie an. „Unsere Beziehung.“
Das brachte sie zum Schweigen. Sie konnte nur noch nicken und abwarten, bis er weitersprach. Stattdessen schien er jedoch ganz davon in Anspruch genommen zu sein, die Kutsche durch die belebten Straßen zu lenken.
Nach langem, drückendem Schweigen begann er schließlich: „Julia, wegen letzter Nacht - ich will nicht, dass du glaubst... du brauchst nicht... “ Er hielt inne, das Gesicht knallrot, den Blick eisern nach vorn gerichtet. „Was ich sagen will..."
„Bitte nicht.“ Schließlich war nur allzu klar, was er ihr mitteilen wollte. Mit bebenden Lippen antwortete sie leise: „Ich verstehe dich vollkommen.“
„Nein, das tust du nicht“, widersprach er grimmig. „Mit einer Jungfrau habe ich noch nie leichtfertig herum getändelt, und ich habe auch nicht vor, jetzt damit anzufangen.“
Leichtfertig herum getändelt? Da verbrachten sie eine Nacht voller Leidenschaft miteinander, und er bezeichnete das als „leichtfertige Tändelei“? Ärgerlicherweise hatte es den Anschein, als wollten ihre Augen in dem hellen Sonnenlicht anfangen zu tränen. „Kein Grund zur Sorge. Letzte Nacht ist allein meine Schuld.“
Verwirrt wandte er sich an sie. „Deine Schuld?“
„Ja, aber du brauchst keine Angst zu haben. Ich erwarte ja gar nicht, dass
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