Vermaehlung um Mitternacht
die Schramme an Alecs Hand. „Irgendwelche Probleme?“
Alec zog ein Taschentuch heraus und wickelte es sich um die Hand. Auf dem feinen Leinen breitete sich ein Blutfleck aus. „Nein. Sie waren erstaunlich hilfsbereit.“
„Na, so ein Glück.“
Alec nickte. „Für sie.“
Lucien schwieg. In Alecs augenblicklicher Stimmung konnte jede Antwort dazu führen, dass er die Beherrschung vollends verlor. Schweigend fuhren sie in die Laura Street 10.
Alec stieg aus und warf Lucien die Zügel zu. „Es dauert nicht lange.“
„Soll ich mitkommen?“
„Nein. Das ist eine persönliche Angelegenheit zwischen Mr. Everard und mir.“
Lucien nickte und schaute seinem Freund nach, der eine schmale Treppe hinaufstieg. Noch nie hatte er erlebt, dass Alec sich so viel aus der Meinung anderer machte. Tatsächlich hatte er sich in den letzten vier Monaten ganz erstaunlich verändert, und besonders fiel dieser Wandel auf, wenn Alec mit Julia zusammen war. Dann schien die Luft vor Spannung förmlich zu knistern.
Mit einem leisen Lachen zündete Lucien die Zigarre an, zog den Hut in die Stirn und betrachtete die verwitterte Tür, durch die sein Freund soeben verschwunden war. Alles in allem hielt er die Geschichte eigentlich für sehr amüsant.
Eine halbe Stunde später kam Alec zurück, leicht derangiert, aber noch heil. Obwohl er eine Schramme am Kiefer und am Kinn eine Beule hatte, wirkte er erstaunlich zufrieden.
„Wie ich sehe, hat Mr. Everard Eindruck auf dich gemacht“, meinte Lucien trocken und nahm die Zügel auf.
Alec verzog die Lippen zu einem schiefen Lächeln. „Der Eindruck, den ich hinterlassen habe, war bei weitem größer.“
„Hat er verraten, woher die falschen Informationen stammten?“ Alec nickte. „Von Nick.“
„Natürlich.“ Lucien setzte den Jagdwagen in Bewegung. „Dachte ich mir doch, dass dahinter die Handschrift deines ruchlosen Vetters steckt. Wie ist ihm die Schurkerei denn diesmal gelungen? Bestechung? Erpressung?“
„Nick hat Mr. Everards Schuldscheine von einer gewissen Spielhölle übernommen. Fast tausend Pfund.“
„Wie bedauerlich für Mr. Everard.“
Alecs Miene verfinsterte sich. „Er hatte mit Nick schon früher zu tun. Anscheinend schreibt Mr. Everard auch die Gesellschaftsnachrichten. Nick hat sich seiner bedient, um seine Feinde zu diskreditieren.“
„Donnerwetter! Du hattest Recht: Nick ist wirklich ein hinterhältiger Schurke!“ Lucien zügelte die Pferde, damit ein Kindermädchen mit seinen Schützlingen die Straße überqueren konnte. „Was hast du jetzt vor?“
„Mr. Everard schreibt einen Widerruf“, entgegnete Alec mit grimmigem Lächeln.
„Das wird nicht genügen, außerdem kommt er zu spät.“
„Mr. Everard will sich nicht nur öffentlich entschuldigen, sondern er hat sich auch bereit erklärt, mich morgen zur Zusammenkunft der Testamentsvollstrecker zu begleiten und alles über seinen Handel mit Nick zu erzählen.“
Lucien runzelte die Stirn und setzte den Jagdwagen wieder in Bewegung. „Vielleicht hätten wir ihn gleich mitnehmen sollen, falls er es sich anders überlegt.“
„Und dann? Hätten wir ihn bei uns im Keller einsperren sollen? Überleg doch mal, wie das aussehen würde, wenn die Testamentsvollstrecker davon erführen.“
Lucien seufzte und nickte. „Du hast wohl Recht. Es würde gewiss herauskommen.“
Alec holte ein zusammengefaltetes Stück Papier aus der Tasche.
„Aus diesem Grund habe ich ihn gezwungen, mir einen Schuldschein über zweitausend Pfund zu unterschreiben.“
„Und jetzt schuldet er dir sogar noch mehr, als er Nick schuldet.“ Lucien grinste. „Sehr gut, Alec.“
„Das Schuldgefängnis kann schon ein mächtiger Anreiz sein, vor allem, wenn es um etwas so Simples wie die Wahrheit geht.“ „Ich würde das Land verlassen, um euch beiden zu entkommen.“
„Ich habe angeboten, all seine Schulden zu begleichen, wenn er vor den Testamentsvollstreckern die Wahrheit sagt. Dann kann er unbelastet neu anfangen. Ich hatte den Eindruck, dass ihn die Vorstellung erleichterte, sich von Nick befreien zu können.“
„Wen würde das nicht erleichtern?“
Alec nickte. „Und nun müssen wir uns nur noch mit meinem Vetter befassen.“ Die silbergrauen Augen funkelten gefährlich.
Der Anblick beunruhigte Lucien. „Alec, vielleicht solltest du es gut sein lassen. Zumindest bis nach der Zusammenkunft morgen.“ „Was ich tue, hängt von Julia ab.“ Alec ballte die Hand in der Tasche zur Faust, ohne darauf
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