Vermaehlung um Mitternacht
kam?“ Alec erhob sich und schenkte sich Brandy nach. „Da gibt es nichts zu erklären. Ich habe Julia Frant geheiratet, und damit basta.“
Lucien guckte ihn prüfend an. „Und du bist sicher, dass ihr Vater den Titel einmal innehatte?“
Edmund runzelte wichtigtuerisch die Stirn. „Könnte ein Trick gewesen sein, um dich vor den Altar zu schleppen. In ihrem Alter muss sie ja am Verzweifeln gewesen sein.“
Nicht verzweifelt genug, um mich auch ohne die Hälfte meines Vermögens zu heiraten, dachte Alec grimmig. „Julia Frant war in ihrem ganzen Leben noch nicht verzweifelt.“
„Sie hat auf mich immer den Eindruck einer überaus entschlossenen jungen Dame gemacht“, sagte Lucien mit schalkhaft funkelnden Augen.
Edmund zuckte kurz zusammen. „So eine ist das also.“ Er bückte Alec an. „Vielleicht hat sie es ja auf dich abgesehen. Du verstehst wirklich etwas von Frauen!“
„Himmel, nein.“ Und doch musste Alec flüchtig daran denken, wie heißblütig sie auf seinen Kuss reagiert hatte. Er schüttelte den Kopf und starrte stirnrunzelnd in sein Glas. Hinter dem sittsamen Äußeren seiner Frau verbarg sich eine leidenschaftliche Natur. Er wusste nicht genau, warum, aber der Gedanke deprimierte ihn.
Lucien zog eine Braue hoch. „Dann erzähl mal von dem mysteriösen Earl.“
Alec nahm einen großen Schluck Brandy. „Er wanderte nach einem Streit mit seinem Vater nach Amerika aus und kehrte nie zurück.“
„Nicht einmal, als er den Titel erbte?“ fragte Edmund verblüfft.
Der Brandy hinterließ einen bitteren Nachgeschmack, der genau zu Alecs Stimmung passte. „Er erbte den Titel zwei Tage vor seinem Tod.“
Lucien pfiff lautlos. „Du lässt es aber darauf ankommen, was?“
Abwesend zerrte Edmund an seinem Halstuch, bis es ganz zerknittert war. „Scheint mir nicht ganz astrein zu sein, die ganze Sache. Ein Mädchen zu heiraten, dessen Vater nur ein paar Tage lang Earl war! Das lassen dir diese alten Kümmelspalter, die dein Großvater als Testamentsvollstrecker eingesetzt hat, bestimmt nicht durchgehen.“
„Müssen sie aber“, erwiderte Alec. Er weigerte sich, eine andere Möglichkeit auch nur ansatzweise in Erwägung zu ziehen.
Der Herzog betrachtete das glimmende Ende seiner Zigarre. „Weißt du, mein Freund, vielleicht entpuppt sich das noch als Glücksfall. Ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, dass Julia von beiden die bessere Wahl ist.“
„Der Drache besser als die Unvergleichliche?“ rief Edmund aus. Er fing Luciens strengen Blick auf und fügte hastig hinzu: „Äh, Alec, was hast du denn jetzt vor?“
Alec stellte sein Glas ab. „Erst einmal bin ich mit dem Rechtsanwalt verabredet. Ich wollte Lucien heute Morgen aufsuchen, um ihn zu fragen, was ich dem Mann erzählen soll. Pratt ist ein geschwätziger alter Narr, und ich wollte ihn nicht mit den Einzelheiten schockieren.“
Edmund verzog das Gesicht. „Da hat er Recht, Lucien. Letzten Monat hab ich Alec in die Kanzlei dieses Kerls begleitet. Hab mein Lebtag kein so sauertöpfisches Gesicht gesehen. Als ich wieder daheim war, war ich selber so missmutig, dass ich nicht mal die gelbe Sauce anschauen wollte, die mein neuer Koch mir für die Eierspeise zubereitet hatte, und dabei esse ich Saucen für mein Leben gern.“
„Alec, sag dem Mann die Wahrheit“, riet Lucien.
„Auch über Therese?“
„Vor allem über Therese. Wenn es dir gelingt, den Testamentsvollstreckern Thereses wahre Natur vor Augen zu führen, sehen sie vielleicht ein, dass sie nicht die richtige Frau für dich gewesen wäre, und erkennen deine Ehe mit Julia an.“
Alec lehnte den Kopf zurück und guckte zur verzierten Stuckdecke hoch. Nie würde er begreifen, wieso sein Großvater einen Haufen Moralapostel als Testamentsvollstrecker eingesetzt hatte. Zweimal hatte er sich mit ihnen getroffen, und jedes Mal war er sich vorgekommen wie ein Schwerverbrecher. Er seufzte. „Wir können nur das Beste hoffen.“
Lucien zog die Brauen hoch. „Und wenn das Testament gilt? Was wirst du dann tun?“
„Dann werde ich ...“ Plötzlich fiel Alec auf, dass er sich überhaupt keine Gedanken darüber gemacht hatte, wie sein Leben nach der Hochzeit weitergehen würde. Was sollte er nur tun?
Es war der Höhepunkt eines abscheulichen Albtraums, wie er säuerlich befand. Sein Erbe hatte ihn, den sorglos dahinlebenden Ausgestoßenen, umgehend zum begehrtesten Junggesellen Londons gemacht. Die Leute rissen sich um ihn. Earls, Dukes, Lords und Ladys, sie
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