Vermaehlung um Mitternacht
zu holen. Ich mag zwar wie eine alte Hexe aussehen, aber ich habe noch immer eine Figur wie ein junges Mädchen. Zumindest hat man mir das gesagt.“ Etwas, was verdächtig an ein geziertes Lächeln erinnerte, huschte über ihr Gesicht.
„Wer hat etwas derartig Ungehöriges dir gegenüber geäußert?“ verlangte Edmund zu wissen.
„Sei still. Wir sprachen von Julia, nicht von mir.“
Die Unterhaltung zwischen Edmund und seiner Tante artete bald in einen Streit aus, und Alec wandte sich an Julia.
„Lass uns tanzen.“
„Aber das ist ein Walzer.“
„Umso besser.“ Er fasste sie um die Taille und zog sie auf die Tanzfläche.
Gleich darauf begriff er Monsieur Armondes Verzweiflung. Julia besaß keinerlei Sinn für Rhythmus, dafür eine enervierende Neigung, die Führung zu übernehmen. Indem er sie eisern festhielt, zwang er sie zu etwas, was einem Walzer entfernt ähnelte.
Allerdings gab es für ihr Unvermögen auch Entschädigungen. Zum einen musste er sie sehr viel enger umschlungen halten als die empfohlenen zwölf Zoll. Bei jeder Drehung streiften ihre Brüste seine Rockaufschläge, worauf sie bezaubernd errötete. Er stellte sich vor, wie sich ihre Brustspitzen versteiften, wie ...
Zum Teufel mit dem Testament, zum Teufel mit den Testamentsvollstreckern, zum Teufel mit der ganzen Tortur. Lieber Himmel, er würde noch in der Irrenanstalt enden.
Nach schier endlosem Schweigen raffte Alec sich zu einem Kommentar auf: „Ganz schönes Gedränge, was?“ Gleich darauf ärgerte er sich darüber, wie banal die Bemerkung war.
„Hmm.“
„Vermutlich wird es so bald nicht regnen, oder was meinst du?“
Diesmal gab sie sich nicht einmal den Anschein, ihm antworten zu wollen.
„Der Frühling war unglaublich kalt dieses Jahr. Die Rosen sterben bestimmt einen furchtbaren, grausamen Tod. Ihre zarten Blütenblätter werden unweigerlich verdorren, ihre Blätter sich im Todeskampf winden ... “
Verwirrt blickte sie auf. „Was?“
„Ich habe nur ein wenig vom Wetter gesprochen.“
Julias Lippen zitterten amüsiert. „Ich stelle mich wohl wie ein echtes Trampeltier an.“
„Das würde ich nicht sagen. Ich bin es nur nicht gewohnt, von meiner Tanzpartnerin ignoriert zu werden.“
„Ich kann’s nicht ändern. Weißt du, ich muss auf meine Schritte achten. Ich würde dir wirklich nur ungern die Zehen brechen.“ Alec lachte und zog sie noch näher an sich. „Erlaube mir, die Schritte für dich zu zählen, Liebes. Ich gelte allgemein als recht guter Tänzer.“
„O ja, ich weiß.“
Er runzelte die Stirn. Die Vorstellung, er habe vielleicht schon einmal mit ihr getanzt und könne sich nicht daran erinnern, gefiel ihm nicht. „Haben wir schon einmal miteinander getanzt?“
Ihre Grübchen erschienen. „Da hättest du noch einige Schrammen vorzuweisen. Therese sagte, dies sei eins der Dinge, die ihr an dir gefielen. Das andere war, wie du küsst. Ich weiß natürlich, wie du kü...“ Julia verstummte. Sie war feuerrot geworden.
Wäre Alec ein Gentleman gewesen, hätte er die Angelegenheit auf sich beruhen lassen, doch er drückte sie so fest an sich, dass die anderen Tänzer ihn, empört anstarrten, und fragte: „Und, findest du auch, dass ich gut küsse?“
„Das ist nicht fair“, erwiderte sie rau. Sie lief noch röter an, machte jedoch keinerlei Anstalten, sich ihm zu entziehen.
„Warum nicht?“ Sie hatte wunderbare Haut, wie Sahne, glatt und durchscheinend.
„Ich habe keinen Vergleich. Schließlich habe ich noch nie einen anderen geküsst.“
„Und diesen Vergleich brauchst du?“
„O ja.“ Julia legte den Kopf schief. „Vielleicht könnte ich es mit Edmund versuchen. Er hat doch eine Vorliebe für verheiratete Frauen.“ Sie begegnete seinem erstaunten Blick und kicherte.
Ihr Lachen durchströmte ihn heiß, und sofort lockerte er seinen Griff. Alec rang sich ein Lächeln ab, mehr nicht. Eine einzige Berührung, so unschuldig sie auch sein mochte, und er hätte jede Kontrolle über sich verloren und sie auf der Stelle an sich gerissen.
Julia merkte, wie er sich zurückzog, und alle Lebhaftigkeit wich von ihr. Sie schaute ihn nur beschämt an und enthielt sich ansonsten jeglichen Kommentars. Noch nie war Alec so dankbar gewesen, dass ein Tanz vorüber war. Gleich als die Musik verklang, führte er Julia zu Lady Birlington.
Die Dame war mit der Dowager Duchess of Roth in ein Gespräch vertieft, einer eindrucksvollen, mageren Frau, die für ihr wohltätiges Engagement bekannt
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