Vermaehlung um Mitternacht
herrisch zu.
Einen Seufzer unterdrückend, brachte er sie zu Lady Birlington. Hinter ihrem Sessel stand der leidgeprüfte Edmund und blickte sehnsüchtig zum Spielzimmer.
Lady Birlington deutete mit dem Stock auf Muck. „Das also ist der Junge von der Bücherei, was?“
„Donner und Doria, Tante Maddie! “ rief Edmund aus, „wer sollte es denn sonst sein? Es wird doch wohl kaum zwei Gassenjungen mit demselben Gesicht geben, oder? Es sei denn, sie wären Zwillinge, aber selbst dann würde ich darauf wetten, dass sie sich nicht völlig gleichen. Obwohl ich auf einem Jahrmarkt mal Zwillinge gesehen hab, die ..."
„Teufel noch mal, Edmund! Hör auf zu faseln.“ Lady Birlington legte die Hände auf ihren Stock und beugte sich vor, bis sie mit der Nase fast an Mucks Gesicht stieß. Der Gassenjunge schob das Kinn vor, und seine Miene verfinsterte sich. Offensichtlich befriedigt, richtete Lady Birlington sich wieder auf. „Was für ein Glück, dass er keine dunklen Haare hat, Hunterston. Soll schließlich keiner denken, er wäre einer Ihrer Bälger.“
„Tante Maddie!“ Edmund guckte verzweifelt Julia an. „Tut mir Leid. Sie denkt manchmal nicht, bevor sie redet.“
Julia musterte erst Muck, dann Alec. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand zu so einem Schluss gelangen könnte. Es besteht ja kaum Ähnlichkeit.“
Alec betrachtete das hässliche Kind. Pflichtbewusst erwiderte Muck den Blick. „Was meinst du mit ,kaum‘?“
Julia legte den Kopf schief. „Die Nase ist dieselbe.“
Wenn er nicht gesehen hätte, dass ihr Mund vor unterdrücktem Gelächter zitterte, wäre er vielleicht darauf hereingefallen. „Wenn seine Nase ausschaut wie meine, dann hat er dein Haar.“ Er lachte und zog an einer Locke, wobei er ihre Wange streifte. Ein Prickeln lief ihm über den Arm.
Julia trat so schnell zurück, dass sie gegen einen Sessel stieß.
„Entschuldigung“, murmelte sie.
Alec ließ die Hand sinken und ballte sie verärgert zur Faust. War er ihr denn wirklich so zuwider? Waren ihre Küsse nur auf ungezügelte Leidenschaft zurückzuführen und auf sonst nichts?
Er musterte seine Frau von der Seite, ihre zart gewölbte Stirn, die dichten, langen Wimpern, den geschwungenen Mund. Sie hätte einen ritterlichen Verehrer verdient, einen, der Gedichte auf ihre Schönheit schrieb, ihr Wesen zu schätzen wusste und sich ihrer Wohltätigkeitsarbeit widmete. Keinen Mann, der so selbstsüchtig war, dass er nicht neben ihr stehen konnte, ohne sich zu fragen, wie sich ihre glatten Oberschenkel unter seinen Lippen wohl anfühlen würden.
Angeekelt von seiner eigenen Laszivität, drehte er sich um. „Sie sehen heute Abend einfach wunderbar aus, Lady Birlington.“
Die Dame tätschelte sich das rote Haar, in dem eine recht willkürliche Ansammlung von Saphiren und Smaragden steckte. „Danke, Hunterston. Nett, dass es Ihnen aufgefallen ist.“ Sie wandte sich an Edmund. „Wolltest du Julia nicht etwas fragen?“ „Was? Ach so, ja. Darf ich Sie zum Tanz auffordern, Julia? Hab schon voll Vorfreude auf diese Gelegenheit gewartet.“
Julia seufzte bedauernd. „Lieber nicht. Ich habe nämlich zwei linke Füße.“
„Unsinn“, erklärte Lady Birlington barsch. „Allein in der letzten Woche war dieser französische Tanzmeister viermal bei Ihnen. Inzwischen sollten Sie zumindest tanzen können wie Prinzessin Charlotte.“
„Es hat nichts genutzt. Monsieur Armonde sagte, ich wäre so anmutig wie eine Kuh in Abendschuhen.“
„Nein!“ rief Lady Birlington aus. „Wie unverschämt!“ „Vielleicht war Monsieur Armonde nicht klar, dass Julia hervorragend Französisch spricht“, meinte Alec kurz angebunden. Ihm fehlten die Crêpes seines Kochs.
Julia runzelte die Stirn. „Sehr nützlich, wenn man Französisch kann. Man erfährt alles Mögliche.“
Eine rundliche Blondine tanzte vorbei und winkte Edmund über die Schulter ihres Partners hinweg zu.
Edmund packte Julia bei der Hand und drängte: „Die Quadrille. Mein Lieblingstanz. Kommen Sie, Julia.“
Sie verzog das Gesicht. „Na gut. Es würde vermutlich seltsam wirken, wenn ich nicht wenigstens einmal tanzen würde.“
Alec fiel auf, dass sie gar nicht erst in seine Richtung schaute. Das störte ihn mehr, als er sich eingestehen wollte.
Julia legte ihr Retikül auf einen Stuhl und wies Muck an: „Bewachst du das bitte für mich?“
Er verzog das Gesicht.
Sie tätschelte ihm die Hand. „Ich bin nur kurz weg. Seine Lordschaft ist ja da, wenn
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