Vermaehlung um Mitternacht
du etwas brauchst.“
Der Junge warf Alec einen misstrauischen Blick zu, bevor er sich neben dem Stuhl aufbaute und Habachtstellung annahm. „Ich halt die Augen offen für Sie, Missus, falls irgendwelche Kerle kommen.“
Alec versuchte, sich nicht darüber zu ärgern, dass seine Frau einfach mit Edmund davonspazierte. Nach ein paar Anläufen absolvierten sie die Quadrille mit mehr Begeisterung als Können. Er lehnte sich an eine Säule und beobachtete Julia. Wer hätte gedacht, dass unter dem langweiligen Äußeren des ,Drachen“ ein so zauberhaftes Wesen steckte? Er versuchte sich daran zu erinnern, wie sie vor ihrer erstaunlichen Verwandlung ausgesehen hatte, aber er wusste es nicht mehr. Sie war einfach Julia - elegant, attraktiv und aufreizend.
Es war komisch, Edmund bei den Verrenkungen zuzuschauen, die er anstellte, um in die Nähe der rundlichen Lady Chowerton zu gelangen. Als es ihm schließlich gelungen war, gab er ihr über Julias Schulter hinweg eindeutig Zeichen. Julia drehte sich um und runzelte die Stirn.
Nach ein paar weiteren Runden hatte sich ihr Stirnrunzeln in eine böse Grimasse verwandelt. Als die Musik dann verklang, waren Edmund und Julia in einen lebhaften Streit verwickelt. Als sie näher kamen, hörte Alec, wie Julia sagte: „Trottel.“
In kaltem Zorn verneigte sich Edmund vor ihr. „Ich lasse mich nicht dazu herab, darauf zu antworten.“ Danach ruinierte er die ganze Wirkung dieser würdevollen Worte, indem er schmollend die Lippen vorschob.
„Wer ist ein Trottel?“ erkundigte sich Lady Birlington mit neugierig blitzenden Augen.
„Niemand.“ Edmund starrte Julia herausfordernd an.
Sie streckte das Kinn vor. „Edmund.“
„Ach, Kind“, meinte Lady Birlington enttäuscht, „das weiß doch jeder.“
Julia wandte sich an Alec. „Edmund hat auf schamloseste Weise mit einer verheirateten Frau geflirtet.“
Lady Birlington schnalzte mit der Zunge. „Es würde dir nur Recht geschehen, wenn dich Lord Chowerton zum Duell fordert, Edmund. Wenn ich ein Mann wäre, würde ich nicht zögern, dir mitten ins Herz zu schießen.“
Edmund riss den Mund auf, doch bevor er noch etwas sagen konnte, stieß Julia ihm den Fächer zwischen die Rippen. „Sie sollten sich ein nettes, ungebundenes Mädchen suchen. Es gibt davon jede Menge - auch welche ohne Tanzpartner.“ Sie guckte sich im Raum um, als wollte sie irgendein unglückliches Mädchen aus dem Stuhl reißen und in Edmunds ausgebreitete Arme schieben.
Edmund wandte sich mit wildem Blick an Alec. „Sag Julia, dass es verteufelt unschicklich ist, über solche Sachen zu sprechen.“ „Zu meiner Zeit war es das nicht“, erklärte Lady Birlington. „Wir haben über viel schlimmere Sachen geredet. Stunden haben wir damit verbracht, darüber zu spekulieren, wer mit wem etwas hat, und haben uns dabei prächtig amüsiert.“
Julia nickte. „Mein Vater meinte, dass eine nicht ausgesprochene Wahrheit genauso viel Schaden anrichten kann wie die übelste Lüge.“ Zornig starrte sie Edmund an. „Man sollte immer die Wahrheit sagen, was es einen auch kosten mag.“
Edmund ließ sich in einen Sessel fallen und zerrte an seinem Halstuch. „Könnten, wir jetzt bitte von etwas anderem sprechen?“ Alec erbarmte sich seiner. „Lady Birlington, ich wollte mich bei Ihnen bedanken, dass Sie sich Julias angenommen haben.“
Die alte Dame musterte seine Frau eingehend und erwiderte widerstrebend: „Ja, ja, es geht schon, aber mit dem Bronzefarbenen hätte sie mehr Aufsehen erregt.“
Julia fing Alecs fragenden Blick auf und errötete. „Es ist sehr unschicklich und bis hierher ausgeschnitten.“ Sie deutete mit ihrem Fächer auf ihren Ausschnitt.
Alec starrte auf die Stelle direkt an ihrem Busenansatz, der jetzt von einem keuschen Spitzeneinsatz verdeckt war. Er räusperte sich. „Lady Birlington kann doch nicht gewollt haben, dass du etwas so Offenherziges trägst.“
Lady Birlington schnaubte. „Doch, natürlich. Ich hab ihr auch vorgeschlagen, dass sie sich die Unterröcke anfeuchtet, aber auch davon wollte sie nichts wissen. Schade. Ich hätte lieber eine verwegene als eine gesetzte Dame in die Gesellschaft eingeführt, aber man kann eben nicht alles im Leben haben.“ „Sie haben ihr was vorgeschlagen?“ Vielleicht war mit seinem Gehör etwas nicht in Ordnung.
„Sie sollten sich mehr mit Mode befassen, Hunterston. Alle feuchten die Unterröcke an. Ich würd’s ja auch machen, wenn ich nicht Angst hätte, mir dabei den Tod
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