Vermaehlung um Mitternacht
nicht in seinen Augen wider. „Manchmal, Julia, ist ein Wolf einfach ein Wolf. Nicht mehr und nicht weniger.“
Sie nickte und hielt das Buch vor sich wie ein Schild. „Selbst Wölfe haben ein Heim verdient.“
„Und verlorene Seelen - vergessen Sie die verlorenen Seelen nicht.“ Er zog eine Karte aus der Tasche und hielt sie ihr hin. „Was mich auf mein Anliegen bringt.“
Sie starrte auf die Karte, nahm sie jedoch nicht entgegen. „Was ist das?“
„Die Adresse von jemandem, der Hilfe braucht.“ Er steckte die Karte in ihr Buch. „Sie ist verzweifelt. Wenn Sie ihr nicht helfen, hilft ihr keiner.“
Misstrauisch erkundigte sie sich: „Was für Hilfe braucht diese Frau denn?“
„Miss L’Amour ist Schauspielerin, obwohl ihre Fähigkeiten auf diesem Gebiet eher beschränkt sind. Der Theatermanager deutete an, er nehme Gebote für ihr Auftreten bei gewissen Privatvorstellungen entgegen. Ich glaube nicht, dass sie sich über die Zukunft, die ihr droht, im Klaren ist, sie ist eine solche Unschuld.“
Julia fing sofort Feuer. Für ihre Vereinigung wäre das ein hervorragendes Experiment. „Ich werde mich gleich mit ihr in Verbindung setzen.“
„Ich ahnte, dass Sie das sagen würden. Aber Sie müssen sich beeilen. Vor allem ein Mann verfolgt sie mit nicht gerade ehrenhaften Motiven. Wenn sich niemand dazwischenstellt, wird er sie gewinnen.“ Er beugte sich vor und senkte vertraulich die Stimme. „Ich kenne den Mann, Lady Hunterston. Wenn er sie erst einmal genossen hat, wird er ihrer bald müde werden und sie ablegen wie schmutzige Wäsche.“
Julia traute sich kaum, ihm in die Augen zu blicken. „Wie haben
Sie diese Frau denn kennen gelernt?“
Er zog an einem Band, das an ihrem Hut hing, so dass sich die Schleife löste. „Was meinen Sie?“
Julia riss ihm das Band aus der Hand. „Sie sind es, der ihr so unehrenhaft nachstellt.“
Er verneigte sich.
„Das ist aber nicht sehr ritterlich.“
„Ich würde sie gut bezahlen.“
Julia starrte ihn an. „Warum erzählen Sie mir das, Lord Bridgeton? Ihnen ist doch sicher gleichgültig, was aus dieser Schauspielerin wird.“
„Nun, ich dachte, es könnte Ihnen Spaß bereiten, eine weitere Seele vor dem Verderben zu retten; sonst hätte ich mir kaum die Mühe gemacht. Stattdessen hätte ich ihr die Unschuld geraubt, mich an ihr ergötzt und sie dann dem nächsten Sünder überlassen.“ Er streifte die Handschuhe über. „Vielleicht tue ich das auch noch. Sie ist ein ganz besonders köstliches Ding.“
Sie runzelte die Stirn. „Sie sind niemand, der nette Gesten macht. Sie müssen irgendein anderes Motiv haben. Wahrscheinlich würden Sie es mir nicht verraten, wenn ich fragte.“
„Nein, das würde ich nicht.“ Sanft ergriff er ihre Hand und platzierte einen Kuss darauf. „Ich muss aufbrechen. Herzliche Grüße an Alec.“ Er tippte sich an den Hut und schlenderte davon.
Mehrere Frauen blieben stehen und starrten ihn schamlos an, doch er beachtete sie nicht. Was er auch vorhatte - Julia schwante nichts Gutes. Doch sie war nie der Typ gewesen, einer Herausforderung auszuweichen.
Sie steckte die Karte ein und eilte zu Johnston.
19. KAPITEL
Julia saß an Alecs großem Mahagonischreibtisch und schlug das Rechnungsbuch auf. Sorgfältig wählte sie eine Feder und bereitete sich auf eine befriedigende Stunde echter Arbeit vor. Seite für Seite studierte sie die Zahlenkolonnen und korrigierte die Summen. Mit der Zeit begann ihr der Nacken zu schmerzen, doch sie machte beharrlich weiter.
Sie hatte das erste Viertel geschafft, als ihr schwarze Tinte auf eine frisch korrigierte Zahlenreihe tropfte. „Verdammt“, murmelte sie und schaute zornig auf die zerspleißte Federspitze.
„Was hast du da gesagt?“
Erschrocken ließ sie die Feder fallen, so dass Tinte über die gesamte Seite spritzte.
Alecs Lächeln verriet Übermut. Mit verschränkten Armen lehnte er am Türrahmen, bekleidet mit Frack und den bei Almack’s vorgeschriebenen Kniehosen.
Beim Anblick seiner Kleider guckte Julia auf den Kaminsims, wo eigentlich die Messinguhr hätte stehen sollen. „Ist es schon acht?“
„Schon nach acht. Lady Birlington wird sich fragen, was aus uns geworden ist.“ Er trat zu ihr. „Was hat dich denn so gefangen genommen, dass du darüber die Zeit vergessen hast?“
Sie seufzte. „Reverend Ashton hat mich gebeten, mir die Bücher anzuschauen, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich sie nun korrigiere oder noch schlimmer mache.“
Alec
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