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Vermiss mein nicht

Vermiss mein nicht

Titel: Vermiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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ganz nahe an etwas dran zu sein. Während er den Polizeibericht noch einmal las, ging er in Gedanken simultan sein Gespräch mit Alan noch einmal durch.
    Das Bier floss nicht über.
    Jack zwang sich, ruhig zu atmen und hielt seine Angst im Zaum.
    Bedächtig trug der Barmann das perfekte Pint in Jacks Eckchen, zögerte aber, denn der ganze Tisch war mit Papieren übersät. Wo sollte er das Glas absetzen?
    »Stellen Sie es einfach irgendwohin«, meinte Jack. Der Mann vollführte mit dem Pint in der Hand eine kreisförmige Bewegung und setzte es schließlich mitten auf dem Tisch ab. Dann eilte er zurück hinter den Tresen, wo die beiden Männer ihre Pferde im Fernseher anfeuerten. Jacks Blick glitt über die dunkelbraune Flüssigkeit, ganz hinunter zum Boden des Glases. Der Barmann hatte es mitten auf Alans Aussage gestellt, direkt neben den Satz, den Jack immer wieder las. Alles zog ihn zurück zu diesem Satz.
Wir haben uns überlegt, noch zu einer Party in Fionas Haus zu gehen
.
Ich hab Donal gefragt, ob er mitkommt zur Party, und er hat gesagt, ja, und das war das letzte Mal, dass wir miteinander gesprochen haben. Er hat mir nicht Bescheid gesagt, als er gegangen ist.
    Auf einmal merkte Jack, dass er zitterte, aber er hob das Glas trotzdem, lächelte dem Foto seines Bruders wacklig zu, setzte das Glas an die Lippen und trank einen großen Schluck. Im gleichen Moment, als das Guinness durch seine Kehle rann, überfiel ihn die Erinnerung an Alans nächsten Satz.
    Ich dachte wirklich, alles ist in Butter, wenn er sich da unten ein Taxi nimmt, weißt du
.
    Das Guinness blieb ihm im Hals stecken, er verschluckte sich und bekam einen heftigen Hustenanfall.
    »Alles okay?«, rief der Barmann vom Tresen herüber.
    »Ja! Weiter so, Junge!« Die beiden Männer an der Bar feierten den Sieg ihres Pferds, klatschten und jubelten so laut, dass Jack zusammenzuckte.
    Eine Million Entschuldigungen, Ausreden und Fehler gingen ihm durch den Kopf. Vielleicht hatte er sich verhört. Er dachte daran, dass Sandy den Besuch bei Alan mit großen roten Buchstaben in ihren Terminkalender eingetragen hatte, er dachte an das besorgte Gesicht von Mrs. O’Connor.
Glaubst du, er hat Mist gebaut
? Sie wusste Bescheid. Sie hatte die ganze Zeit Bescheid gewusst. Kalte Schauer liefen ihm über den Rücken. Wut stieg in ihm auf, und er knallte sein Pintglas auf den Tisch. Innen blieb ein weißer Ring zurück. Seine Knie wurden weich vor Angst und Zorn. Später erinnerte er sich nicht mehr daran, wie er den Pub verließ, Alan anrief und in Rekordzeit nach Limerick fuhr, um sich mit ihm zu treffen. Er erinnerte sich überhaupt an kaum etwas von diesem Abend. Nur Alans verlorene Stimme hallte in seinem Kopf:
Ständig geht mir diese Nacht durch den Kopf, und ich wünsche mir so, ich wäre mit ihm weggegangen. Ich dachte wirklich, alles ist in Butter, wenn er sich da unten ein Taxi nimmt, weißt du
. Doch noch lauter hörte er den Widerspruch in Alans Aussage:
Ich hab Donal gefragt, ob er mitkommt zur Party, und er hat gesagt, ja, und das war das letzte Mal, dass wir miteinander gesprochen haben.
    Das war das letzte Mal, dass wir miteinander gesprochen haben
.
    Er hatte gelogen. Aber warum?

Fünfundvierzig
    Ich stand auf, und Tausende Augen ruhten auf mir, musterten mich, bildeten sich eine Meinung über mich, beurteilten mich, wollten mich hängen und auf dem Scheiterhaufen brennen sehen. In der ersten Reihe entdeckte ich Helena, ganz offensichtlich nicht erbaut darüber, wie die Dinge sich entwickelten. Sie hatte die Hände vor der Brust verschränkt, als wollte sie beten, und in ihren Augen glitzerten Tränen. Ich lächelte ihr zu, weil sie mir leidtat –
sie
! –, und sie nickte aufmunternd. Von Joseph, der ja auf der Bühne saß, kam die gleiche Reaktion. Weil ich keine Ahnung hatte, was mich erwartete, wusste ich natürlich auch nicht, wovor ich mich fürchten musste. Ich verstand überhaupt nicht, was los war, und warum etwas, was mir so positiv erschien, für die Leute hier so negativ sein konnte. Das Einzige, was ich begriff, war, dass die Menschen, die länger als ich hier waren, Angst um mich hatten. Das reichte. Schon im Lauf der letzten Tage war das Leben für mich anstrengend gewesen, weil mir ständig irgendwelche Leute folgten und mich mit Fragen über ihre Familien löcherten, und ich hatte beileibe nicht das Bedürfnis, dass es noch schlimmer wurde.
    Grace Burns, unsere Repräsentantin, sah mich an. »Willkommen, Sandy. Ich weiß, es

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