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Vermiss mein nicht

Vermiss mein nicht

Titel: Vermiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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geschrieben.
    Grace drehte die Uhr um, warf einen Blick auf die Rückseite, machte ein zufriedenes Gesicht und verkündete: »Ja, hier steht es: Sandy Shortt.«
    Ein lautes Seufzen ging durchs Publikum.
    »Sandy, ich danke Ihnen für Ihr kooperatives Verhalten. Sie können jetzt gehen, und ich wünsche Ihnen ein gutes Leben hier bei uns. Hoffentlich sind die Menschen von jetzt an etwas netter zu Ihnen«, fügte sie mit einem Lächeln hinzu.
    Verblüfft nahm ich die Uhr wieder in Empfang. Ich konnte nicht glauben, dass Bobby in so kurzer Zeit meinen Namen eingraviert hatte, und ich hatte überhaupt nicht an die Gravur gedacht. So rasch ich konnte, eilte ich zurück, begleitet vom Beifall der Menge. Die Menschen lächelten mir zu, einige entschuldigten sich, andere wirkten noch nicht ganz überzeugt und würden sich wahrscheinlich auch nie überzeugen lassen. Als ich bei Bobby angelangt war, nahm ich ihn bei der Hand und verließ mit ihm den Saal.
    In sicherer Entfernung von der Gemeinschaftshalle fragte ich ihn: »Wie zum Teufel hast du das angestellt?«
    »Was hab ich denn angestellt?«, fragte er entsetzt.
    »Du hast noch schnell meinen Namen in die Uhr eingraviert!«
    »Nein, hab ich nicht«, entgegnete er schockiert.
    »Was?« Ich drehte die Uhr um. Nichts, kein Schriftzug, kein Name, nur eine glatte metallische Oberfläche.
    »Komm, gehen wir rein«, sagte Bobby, schloss die Tür zum Fundbüro auf und sah sich argwöhnisch um.
    Ein Rascheln kam aus der Dunkelheit, und wir fuhren erschrocken herum.
    Aus dem Schatten trat Jason.
    »Tut mir leid, dass ich Sie erschreckt habe«, sagte er mit seiner Roboterstimme. »Sandy, ich …« – jetzt klang er schon weniger mechanisch – »… ich wollte nur fragen, ob Sie vielleicht meine Frau Alison kennen?«, sagte er unsicher. »Alison Rice. Wir sind aus Galway, aus Spidil.« Er schluckte und wirkte nicht mehr bedrohlich, sondern besorgt und verletzlich.
    Immer noch überrascht über sein plötzliches Auftauchen, ließ ich mir den Namen durch den Kopf gehen. Er sagte mir nichts, und langsam schüttelte ich den Kopf. »Es tut mir leid, nein.«
    »Okay.« Jason räusperte sich und richtete sich auf. So hart und unantastbar, als hätte er die Frage nie gestellt, sagte er: »Ich soll Ihnen von Grace Burns noch ausrichten, dass Sie morgen so früh wie möglich zu ihr ins Büro kommen sollen.«

Sechsundvierzig
    Jack spürte die Wut überall im ganzen Körper, die Muskeln in seinem Gesicht zuckten, als bereiteten sie sich auf eine große Auseinandersetzung vor, sein Herz pochte wild. Angestrengt versuchte er, seine Atmung zu kontrollieren und nicht endgültig die Beherrschung zu verlieren. Auf der Fahrt hierher hatte er die Backenzähne so fest zusammengebissen, dass sie sich anfühlten, als hätte er sie bis auf die Knochen abgeschliffen. Obwohl er sie immer wieder zu entspannen versuchte, ballten sich seine Fäuste fast wie von selbst, während er den Pub im Zentrum von Limerick City durchquerte. Er entdeckte Alan allein an einem kleinen Tisch, vor sich ein Pint. Auf der anderen Seite des Tischs stand ein Hocker, der auf Jack zu warten schien. Als Alan ihn sah, winkte er ihm zu, und ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht, diesem Gesicht, in dem Jack immer noch den Zehnjährigen erkannte, der jeden Tag bei ihnen zu Hause gewesen war. Schon wollte er zu ihm stürzen, aber im letzten Moment hielt er inne und bog zur Toilette ab. Dort stellte er sich ans Waschbecken und spritzte sich Wasser ins Gesicht, keuchend, als wäre er einen Marathon gelaufen. Am liebsten hätte er Alan mit bloßen Händen erwürgt. Was hatte er getan? Was um Himmels willen hatte Alan getan?

Siebenundvierzig
    In der Woche nach Jenny-May Butlers Verschwinden kam die Polizei zu uns in die Leitrim National School. Für besondere Aufregung sorgte dabei die Tatsache, dass unser Direktor seine demütigen Untertanen mit seiner Anwesenheit beehrte, was äußerst selten vorkam. Immer wenn wir sein strenges, leicht vorwurfsvolles Gesicht sahen, hatten wir sofort Flugzeuge im Magen, und selbst wenn wir ganz genau wussten, dass wir nichts verbrochen hatten, hofften wir inständig, keinen Ärger zu bekommen – so immens war seine Macht über uns. An diesem Tag tauchte er mitten in der Religionsstunde auf und flüsterte laut etwas in Ms. Sullivans Ohr. Wenn sich Lehrer im Klassenraum etwas zuflüsterten, bedeutete das immer, dass etwas äußerst Wichtiges im Gange war. Wir bekamen die Erlaubnis, unsere Studien

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