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Vermiss mein nicht

Vermiss mein nicht

Titel: Vermiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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eilte ich mit Riesenschritten die Straße hinunter, verfolgt von neugierigen Blicken, die nach der Versammlung gestern Abend nicht weniger geworden waren.
    »Warte, Sandy!«, hörte ich Bobby hinter mir keuchen. »Was in aller Welt ist denn mit dir los? Du benimmst dich ja, als hättest du eine Rakete im Hintern!«
    »Vielleicht hab ich das ja«, grinste ich und rannte weiter.
    »Wohin gehen wir?«, fragte er, nachdem er mich mühsam eingeholt hatte.
    »Da hin!«, antwortete ich knapp und drückte ihm den Zettel mit der Wegbeschreibung in die Hand, ohne anzuhalten.
    »Warte, bleib doch mal kurz stehen«, bettelte er, während er aus der Beschreibung schlau zu werden und gleichzeitig mit mir Schritt zu halten versuchte. »Stopp!«, brüllte er schließlich mitten auf dem Markt, und unzählige Köpfe wandten sich nach uns um. Aber immerhin schaffte ich es jetzt, eine Pause einzulegen. »Wenn du willst, dass ich das richtig durchlese, musst du mir sagen, was los ist, verdammt nochmal.«
    Noch nie in meinem ganzen Leben hatte ich so schnell geredet.
    »Okay, ich glaube, ich hab alles kapiert«, meinte Bobby schließlich, obwohl er immer noch einen leicht konfusen Eindruck machte. »Wir müssen Helena oder Joseph fragen.«
    »Nein! Dafür haben wir keine Zeit! Wir müssen los, jetzt sofort!«, heulte ich wie ein ungeduldiges Kind. »Bobby, ich hab fast fünfundzwanzig Jahre auf diesen Augenblick gewartet, also bitte halt mich jetzt nicht auf, wo ich so nahe dran bin!«
    »Jawohl, aber dafür müssen wir ein bisschen mehr tun als nur dem gelben Steinweg folgen wie Dorothy und ihre Gefährten«, konterte er sarkastisch.
    Trotz meiner Frustration musste ich über die Anspielung auf unser Theaterstück lachen.
    »Ich verstehe ja, dass du es eilig hast, aber wenn ich einfach so versuche, dich da hinzubringen, musst du wahrscheinlich nochmal fünfundzwanzig Jahre warten, bis du ankommst. Ich kenne diesen Teil des Walds nicht, ich hab noch nie von dieser Jenny-May gehört, und ich hab auch keine Freunde, die in der Gegend leben. Wenn wir uns verirren, wäre das also ganz schön blöd. Also lass uns erst mal zu Helena gehen, sie kann uns bestimmt helfen.«
    Obwohl er wenig mehr als halb so alt wie ich war, klang seine Argumentation recht vernünftig, und ich ließ mich widerwillig auf den Umweg zu Helena und Joseph ein. Die beiden saßen auf der Bank vor ihrem Haus und genossen die entspannte Sonntagsatmosphäre. Bobby, der inzwischen begriffen hatte, wie dringlich mir die Angelegenheit war, rannte direkt zu ihnen, während Wanda, die auf der Wiese gespielt hatte, aufsprang und zu mir lief.
    »Hi, Sandy!«, rief sie, packte meine Hand und hüpfte neben mir her zum Haus.
    »Hi, Wanda«, erwiderte ich in neutralem Ton und versuchte mein Lächeln zu verbergen.
    »Was hast du da in der Hand?«
    »Ich glaube, das sind Wandas Finger.«
    Sie verdrehte die Augen über meinen Witz. »Nein, ich meine die andere Hand!«
    »Das ist eine Polaroidkamera.«
    »Warum?«
    »Warum das eine Kamera ist?«
    »Nein, warum hast du sie?«
    »Weil ich jemanden fotografieren will.«
    »Wen?«
    »Ein Mädchen, das ich von früher kenne.«
    »Wen?«
    »Sie heißt Jenny-May Butler.«
    »War sie deine Freundin?«
    »Nein, eigentlich nicht.«
    »Warum willst du sie dann fotografieren?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Weil du sie vermisst?«
    Gerade wollte ich mit einem Nein antworten, aber im letzten Moment merkte ich, dass das nicht stimmte. »Ja, ich vermisse sie, sehr sogar.«
    »Und wirst du sie heute besuchen?«
    »Ja!« Ich lächelte, packte Wanda unter den Achseln und schwenkte sie im Kreis herum, was sie mit vergnügten Quietschlauten quittierte. »Heute besuche ich Jenny-May Butler!«
    Wanda schüttelte sich vor Lachen und stimmte ein Lied über ein Mädchen namens Jenny-May an. Angeblich hatte sie es irgendwo gelernt, aber ich war ziemlich sicher, dass sie es selbst gedichtet hatte, was mich kolossal amüsierte.
    »Ich komme mit dir«, unterbrach Helena Wandas Gesang und gab der Kleinen schnell einen Kuss auf den Kopf. Ich machte ein Foto von den beiden, als sie gerade nicht hinschauten.
    »Hör auf, die Bilder zu verschwenden«, blaffte Bobby mich an, und da fotografierte ich auch ihn.
    »Aber Helena, du hast keine Zeit mitzukommen«, entgegnete ich, wedelte ein paar Mal mit den Fotos durch die Luft, damit sie trockneten, und steckte sie dann in meine Hemdentasche. »Heute ist Kostümprobe, die kannst du doch nicht versäumen. Erklär Bobby einfach, wie

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