Vermiss mein nicht
eine weiße Weste habe, hatte ich Angst, die Polizei könnte denken, ich hätte was mit Donals Verschwinden zu tun.«
Jetzt waren die Gesichter der beiden nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt. »Sag mir die Wahrheit!«, brüllte Jack.
»Das tu ich doch!«
»Donal ist dein bester Freund, Alan, er war immer für dich da.«
»Ich weiß, ich weiß«, ächzte Alan und fasste sich mit seinen zitternden, nikotinfleckigen Fingern an den Kopf. Dann traten ihm plötzlich Tränen in die Augen, er senkte den Blick, und sein ganzer Körper bebte.
»Entweder du erklärst mir die Geschichte jetzt so, dass ich sie verstehen kann, oder ich gehe zur Polizei«, drohte Jack unerbittlich.
Es dauerte lange, bis Alan wieder den Mut hatte zu sprechen. »Donal hat sich da auf was eingelassen«, sagte er schließlich so leise, dass Jack sich unwillkürlich noch näher zu ihm beugte. Jetzt berührten sie sich praktisch.
»Du lügst!«
»Nein, ich lüge nicht«, protestierte Alan, und diesmal hatte Jack den Eindruck, dass er die Wahrheit sagte. »Ich hab auch für diese Jungs gearbeitet …«
»Was denn für Jungs?«
»Das kann ich nicht sagen.«
Aber Jack ging ihm sofort an die Gurgel. »Wer sind diese Typen?«
»So kann ich nicht antworten, Jack«, krächzte Alan, dem das Blut ins Gesicht stieg.
Jack lockerte seinen Griff ein wenig, sodass Alan wenigstens Luft bekam und weitersprechen konnte.
»Die haben Donal geholt, damit er was für sie im Computer programmiert. Ich hab ihn empfohlen, weil er doch die Ausbildung gemacht hatte und so, aber dann ist er im Computer auf irgendwelche Dinge gestoßen und hat ein paar Sachen spitzgekriegt, die er nicht hätte spitzkriegen dürfen, und da sind die Jungs stinksauer geworden. Ich hab ihnen gesagt, Donal würde bestimmt nichts davon weitererzählen, aber da hat Donal gedroht, dass er auspackt.«
»Was wollte er auspacken?« Noch immer kochte Jack innerlich. Er konnte nicht glauben, dass sie ein Jahr lang gesucht hatten, obwohl die Antwort die ganze Zeit direkt vor ihrer Nase gelegen hatte, hier zu Hause in Limerick, bei Alan, Donals bestem Freund.
»Es ging um irgendwelche Projekte, die die Jungs geplant haben«, stieß Alan zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, und in seinen Mundwinkeln bildeten sich Spuckeblasen. »Ich hab Donal einfach nicht dazu gekriegt, den Mund zu halten, im Gegenteil, er wollte, dass ich auch was sage. Er hat nicht kapiert, dass die Jungs es ernst meinen. Er wollte partout nicht auf mich hören.« Er zitterte immer noch. Mit Tränen in den Augen wartete Jack, dass er weitermachte. »Sie wollten ihn bloß ein bisschen verprügeln, als Warnung und um ihm ein bisschen Angst einzujagen, damit er endlich die Finger davon lässt.« Alans Stimme versagte, aber obwohl man ihm ansah, wie sehr er sich schämte, sah Jack plötzlich rot. »Und du hast ihn direkt in die Falle geschickt!«, stieß er heiser hervor, während er aufsprang, Alan an der Kehle packte und ihn hochriss. Alan verlor das Gleichgewicht und taumelte gegen die Wand, so heftig, dass der Spiegel hinter ihm zerbrach. Im Pub wurde es totenstill, und die Gäste brachten sich so gut sie konnten vor den beiden Streithähnen in Sicherheit. Jack schlug Alans Kopf gegen die Wand. »Wo ist er?«, zischte er, die Nase direkt vor Alans Gesicht. »Wo ist mein Bruder?«
Obwohl Alan erstickte Laute von sich gab, drückte Jack nur noch fester zu. »Wo ist Donals Leiche?«, brüllte er, und erst als er endlich begriff, dass Alan etwas zu sagen versuchte, riss er sich zusammen und lockerte seinen Griff.
Als er die Antwort bekommen hatte, ließ er Alan wie einen schmutzigen Sack fallen und trat zurück. Graham Turner, der zufällig in der Nähe saß, ergriff sofort die Initiative und nahm die Sache in die Hand, während Jack den Pub verließ, um seinen Bruder zu suchen. Diesmal würde er sich richtig von ihm verabschieden. Diesmal konnten die beiden Brüder endlich zur Ruhe kommen.
Neunundvierzig
»Hallo, Sandy«, begrüßte Grace Burns mich lächelnd. Sie saß hinter ihrem Schreibtisch in einem winzigen Kabuff eines großen Planungsbüros. Vorne konnte man Modelle neuer Gebäude und Entwürfe für die Anbauflächen in der Umgebung bewundern.
Ich setzte mich auf die andere Seite des Schreibtischs. »Danke, dass Sie mich gestern Abend vor der wütenden Meute gerettet haben«, scherzte ich.
»Gern geschehen«, lachte sie, aber dann wurde sie ernst. »Sagen Sie mir bitte ganz ehrlich, was passiert
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