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Vermiss mein nicht

Vermiss mein nicht

Titel: Vermiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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wir zu Jenny-May kommen.« Auf einmal war ich wieder total hibbelig.
    Helena sah auf ihre Uhr, und mir fiel voller Wehmut ein, dass ich meine verloren hatte. »Es ist grade mal ein Uhr durch. Die Kostümprobe fängt erst um sieben an, da sind wir längst zurück. Und außerdem möchte ich euch so schrecklich gern begleiten«, fügte sie hinzu, legte den Finger unter mein Kinn und zwinkerte mir zu. »Erstens ist dieser Besuch wichtiger als die Probe, und zweitens weiß ich genau, wo wir hinmüssen. Die Lichtung ist ganz in der Nähe von der Stelle, wo wir uns vor genau einer Woche begegnet sind.«
    Joseph streckte mir die Hand entgegen. »Gute Reise, Kipepeo-Mädchen.«
    Verwirrt schüttelte ich seine Hand. »Ich komme zurück, Joseph.«
    »Das hoffe ich sehr«, erwiderte er mit einem Lächeln und legte mir die andere Hand sanft auf den Kopf. »Wenn du zurückkommst, erkläre ich dir, was Kipepeo bedeutet.«
    »Lügner!«, gab ich zurück.
    »Los, gehen wir!«, rief Helena und warf sich diesmal einen limonengrünen Pashminaschal über die Schultern.
    So machten wir uns unter Helenas Führung auf den Weg. Am Waldrand kam uns eine junge Frau entgegen, die benommen und verwirrt das Dorf betrachtete.
    »Willkommen«, begrüßte Helena sie.
    »Willkommen«, rief auch Bobby.
    Verblüfft blickte die Frau erst die beiden, dann mich an. »Willkommen«, lächelte auch ich und deutete hinüber zur Registratur.
    Der Weg, den Helena einschlug, war gepflegt und wurde offensichtlich häufig benutzt. Die Atmosphäre im Wald erinnerte mich an die ersten Tage, die ich allein hier umhergeirrt war. Der Duft der Kiefernnadeln vermischte sich mit dem von Moos, Baumrinde und feuchten Blättern, verrottendem Laub und allen möglichen Blumen. An manchen Stellen führten Mückenschwärme ihre Tänzchen auf, rote Eichhörnchen hüpften von Ast zu Ast, und gelegentlich blieb Bobby stehen, um etwas vom Waldboden aufzuheben. Aber für mich konnten wir gar nicht schnell genug vorankommen. Noch gestern hätte ich es für völlig undenkbar gehalten, Jenny-May zu finden, und heute war ich unterwegs zu ihr.
    Grace Burns hatte mir erzählt, dass Jenny-May mit einem älteren Franzosen, der schon lange Zeit mitten im Wald lebte, in die Registratur gekommen war. Der Mann war in den vierzig Jahren, die er bereits hier verbracht hatte, nur sehr selten im Dorf gewesen, aber nun tauchte er mit einem zehnjährigen Mädchen auf, das hilfesuchend an seine Tür geklopft hatte. Jenny-May erklärte, er sei ihr Beschützer und der einzige Mensch, dem sie vertraute, und der Einzelgänger war bereit, sich um das Mädchen zu kümmern. Zwar entschied er sich, in seinem Haus im Wald wohnen zu bleiben, aber er sorgte dafür, dass sie jeden Tag zur Schule ging, dass sie Freundschaften schloss und diese auch pflegte. Von ihm lernte sie fließend Französisch, und da sie im Dorf kaum einmal Englisch sprach, wussten nur sehr wenige Mitglieder der irischen Gemeinschaft, woher sie ursprünglich stammte. Als ihr Pflegevater alt wurde, versorgte ihn Jenny-May, bis er vor fünfzehn Jahren starb. Danach blieb sie weiterhin in dem Haus wohnen, das ihr Heim geworden war, weit weg vom Dorf, das auch sie nur selten aufsuchte.
    Nach zwanzig Minuten gelangten wir zu der Lichtung, auf der ich Helena und ihren Freunden begegnet war, und sie bestand darauf, eine kurze Pause einzulegen. Sie trank aus der Wasserflasche, die sie mitgenommen hatte, und bot auch Bobby und mir etwas an. Aber ich spürte weder Hitze noch Durst, und das nicht etwa, weil die hohen Bäume uns vor den warmen Sonnenstrahlen schützten. Nein, ich war einfach so auf mein bevorstehendes Wiedersehen mit Jenny-May konzentriert, dass ich nur weiterwollte, immer weiter. Was passieren würde, wenn wir bei ihr ankamen, überstieg allerdings mein Vorstellungsvermögen.
    »Himmel, so hab ich dich ja noch nie erlebt«, sagte Bobby und sah mich merkwürdig an. »Du kannst heute echt keine fünf Minuten stillstehen, was?«
    »Ach, so ist sie doch immer«, widersprach Helena, schloss die Augen und fächelte sich Luft zu, um ihr verschwitztes Gesicht zu kühlen.
    Aber ich konnte wirklich nicht stillstehen, sondern tigerte ruhelos hin und her, hüpfte herum, kickte Laub durch die Gegend und versuchte verzweifelt, das Adrenalin, das durch meine Adern brauste, irgendwie abzureagieren. Mit jeder Sekunde wurde ich nervöser, und endlich setzte mein Verhalten die anderen so unter Druck, dass sie sich wieder in Bewegung setzten. Ich war froh

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