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Vermiss mein nicht

Vermiss mein nicht

Titel: Vermiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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sie dann und blickte herausfordernd in die Runde.

Siebzehn
    Ungeduldig und frustriert wanderte Jack neben dem roten Ford Fiesta auf und ab. Gelegentlich blieb er stehen und spähte durchs Beifahrerfenster, als könnte er mit bloßer Willenskraft die Tür öffnen, die Akte vom Armaturenbrett an sich reißen und die Informationen aufsaugen. Dann wieder beruhigte er sich etwas und wanderte weiter, sah sich um, entfernte sich ein Stück von dem kleinen Auto, aber nie weit, für den Fall, dass Sandy zurückkam.
    Er konnte kaum glauben, dass Sandy Shortt und die Frau von der Tankstelle ein und dieselbe Person waren. Aber obwohl sie sich begegnet waren wie zwei Fremde, hatte er genau wie am Telefon etwas gespürt, als er sie sah, eine unmittelbare Verbindung zwischen ihnen. Was hätte er nicht darum gegeben, zu diesem Moment zurückkehren und sich mit ihr über Donal unterhalten zu können! Sie war also doch nach Glin gekommen. Er hatte gewusst, dass sie ihn nicht im Stich lassen würde. Vermutlich war sie, genau wie sie es versprochen hatte, die Nacht durch gefahren. Aber dass er ihr Auto hier an dieser verlassenen Stelle fand, warf mehr Fragen auf, als er sowieso schon hatte. Wenn sie in Glin war, warum war sie dann am Sonntag nicht zu ihrer Verabredung erschienen?
    Er schaute auf die Uhr. Seit er den Ford gefunden hatte, waren schon drei Stunden vergangen, und noch immer keine Spur von Sandy. Was zu einer noch viel wichtigeren Frage führte: Wo war sie jetzt?
    Er setzte sich auf die bröckelige Steinkante neben dem Auto und tat das, was ihm im Lauf des letzten Jahres zur Gewohnheit geworden war. Er wartete. Und nahm sich vor, nicht von der Stelle zu weichen, bis Sandy Shortt zu ihrem Wagen zurückkehrte.
     
    * * *
     
    Als ich der Gruppe durch die Bäume folgte, klopfte mein Herz so laut, dass ich mich nur schwer auf Bernard konzentrieren konnte, der mich munter mit seinen Anekdoten zutextete. Hie und da nickte ich, weil ich merkte, dass er mich erwartungsvoll ansah. Leider konnte keiner der Gruppe etwas mit Donals Namen anfangen, sie hatten alle nur die Schultern gezuckt und »nie gehört« gemurmelt. Aber in mir hatte der Name etwas in Bewegung gesetzt, und plötzlich wurde mir klar, dass ich auf dem besten Weg war, Menschen zu begegnen, die ich seit Jahren suchte!
    Mir kam es vor, als gipfelte die Arbeit meines ganzen Lebens in diesem einen Moment. Da ich nachts kaum schlief und mich tagsüber nach Möglichkeit von meinen Mitmenschen abkapselte, war ich immer eine Einzelgängerin gewesen. Nicht, dass ich damit nicht zufrieden gewesen wäre, aber meine engsten Beziehungen hatte ich zu Leuten, denen ich nie begegnet war, über die ich jedoch alles wusste – von ihrer Lieblingsfarbe über die Namen ihrer besten Freunde bis zu ihrer Lieblingsband. Und nun brachte mich jeder Schritt dem Moment näher, in dem ich diesen lang verlorenen Freunden, Eltern, Onkeln, Tanten und allen möglichen anderen Verwandten gegenübertreten würde.
    Als mir diese Gefühle bewusst wurden, spürte ich plötzlich auch meine Einsamkeit, denn keiner von diesen Menschen kannte mich ja. Wenn wir uns begegneten, würden sie den Blick gleich wieder abwenden, während ich mich an Familienfotos vergangener Weihnachtsfeste, Geburtstage, Hochzeiten, erster Schultage und Debütantinnenbälle erinnerte. Schließlich hatte ich mit unzähligen weinenden Eltern unzählige Fotoalben durchgeblättert. Ob meine eigenen Eltern wohl auch eines von mir hatten?
    Die Menschen, für die ich lebte, wussten nichts von meiner Existenz, und die Existenz der Menschen, die für mich lebten, war mir nie wichtig gewesen.
    Schon konnte ich den Waldrand erkennen, und vor uns gab es immer mehr Bewegung, Lärm und Farbe. So viele Menschen. Ich blieb stehen und streckte zitternd die Hand aus, um mich am nächstbesten Baumstamm festzuhalten.
    »Alles klar, Sandy?«, fragte Bernard.
    Auch die übrige Gruppe hielt inne, und alle blickten mich besorgt an. Ich brachte nicht mal ein Lächeln zustande, ich konnte einfach nicht so tun, als wäre alles in Ordnung. Auf einmal war die Meisterin der Lügen in ihrem eigenen Lügennetz gefangen. Helena, die die Gruppe anführte, stürzte zu mir.
    »Geht ruhig weiter, wir kommen nach«, rief sie, und als die anderen zögerten, wurde sie energisch: »Los, haut schon ab!« Unschlüssig wandten sie sich um und zuckelten aus dem Schatten hinaus ins helle Licht.
    »Sandy«, sagte Helena leise und legte mir die Hand auf die Schulter. Doch ihre

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