Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vermiss mein nicht

Vermiss mein nicht

Titel: Vermiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
Vom Netzwerk:
kannte.
    »Das sind die Handabdrücke aller Menschen, die hier in den letzten drei Jahren gewohnt haben oder immer noch wohnen«, erklärte mir Helena. »Jedes Dorf hat so ein Banner in der Gemeinschaftshalle. Inzwischen ist es zu einer Art Symbol für uns hier geworden.«
    »Ich kenne das«, sprach ich meinen Gedanken laut aus.
    »Das kann nicht sein«, widersprach Helena kopfschüttelnd. »Man sieht es sonst nirgends im Dorf.«
    »Nein, ich kenne es von zu Hause. Am Kilkenny Castle gibt es ein Nationaldenkmal, das genauso aussieht. Jede Hand ist von einem Verwandten einer vermissten Person. Daneben steht ein Stein mit der Inschrift« – ich schloss die Augen und rezitierte die Worte, über die ich so oft meine Finger hatte gleiten lassen – »›
Diese Skulptur und dieser Ort des Gedenkens ist allen vermissten Menschen gewidmet. Mögen ihre Verwandten und Freunde, die hierherkommen, stets von neuem Kraft und Hoffnung finden.
‹ Dort ist auch ein Abdruck von der Hand deiner Mutter.«
    Helena musterte mich mit angehaltenem Atem. Vielleicht wartete sie darauf, dass ich zugab, einen Scherz gemacht zu haben. Aber als ich das nicht tat, atmete sie ganz langsam wieder aus.
    »Hmm, ich weiß nicht, was ich sagen soll«, meinte sie mit zitternder Stimme und wandte den Blick wieder zu den Handabdrücken. »Joseph fand, es wäre eine schöne Idee.« Dann schüttelte sie erneut ungläubig den Kopf. »Warte nur, bis er hört, was du mir gerade erzählt hast.«
    »Wow«, entfuhr es mir, während ich mich weiter in dem Gebäude umschaute. Es ähnelte wesentlich mehr einem Theater als einem herkömmlichen Gemeinschaftszentrum.
    »Hier haben ungefähr zweieinhalbtausend Menschen Platz«, fuhr Helena mit ihren Ausführungen fort, obwohl sie immer noch etwas abgelenkt wirkte. »Bei noch größerem Andrang nehmen wir die Stühle heraus, aber es kommt sehr selten vor, dass wirklich das ganze Dorf hier erscheint. Der Saal wird für eine Menge verschiedener Anlässe benutzt, unter anderem als Wahllokal, als Diskussionsforum für Gespräche zwischen dem gewählten Dorfrat und der Gemeinde, als Kunstgalerie und in den seltenen Fällen, wenn ein Stück inszeniert wird, natürlich auch als Theater. Du kannst die Liste beliebig fortsetzen.«
    »Wer ist denn der Dorfrat?«
    »Er besteht aus den Vertretern aller Nationen im Dorf. Allein in unserem Dorf haben wir über hundert verschiedene Nationalitäten, und jedes Dorf hat seinen eigenen Rat. Und es gibt Dutzende von Dörfern.«
    »Was passiert denn so bei den Ratssitzungen?«, erkundigte ich mich einigermaßen amüsiert.
    »Das Gleiche wie überall auf der Welt – alles, was beraten, diskutiert und entschieden werden muss, wird beraten, diskutiert und entschieden.«
    »Wie hoch ist denn hier die Verbrechensrate?«
    »Minimal.«
    »Wie schafft ihr das? Ich kann mich nicht entsinnen, irgendwo auf den Straßen den langen Arm des Gesetzes gesehen zu haben. Wie sorgt ihr für Ordnung?«
    »Es gibt hier schon seit Jahrhunderten ein funktionstüchtiges Rechtssystem. Wir haben ein Gericht, eine Rehabilitierungsanstalt und einen Sicherheitsrat. Manchmal ist es nicht ganz einfach, die verschiedenen Nationen dazu zu kriegen, sich an die gleichen Regeln zu halten. Aber der Dorfrat regt Gespräche und Debatten an.«
    »Dann wird also nur geredet? Hat der Rat denn auch irgendwelche Machtbefugnisse?«
    »Er hat nur die Macht, die wir ihm verliehen haben. Jeder Neuankömmling kriegt übrigens eine von diesen Broschüren in seinem Infopack.« Helena nahm eine Broschüre aus einem Ständer an der Wand. »Du müsstest eigentlich auch eine haben, wenn du dir deinen Ordner genauer anschaust. Es gibt auch eine Anleitung zum Wählen.«
    Ich blätterte in der Broschüre und las: »Gebt eure Stimme denjenigen, die euch zuhören und ihre Entscheidungen im Sinne der Wahlberechtigten fällen, nach allgemeinem Konsens und zum Wohle aller.« Ich lachte. »Was predigt ihr sonst noch? Zwei Beine gut, vier Beine schlecht?«
    »Diese Grundsätze bilden die Basis für eine gute Regierung.«
    »Hmm, funktionieren die Tipps aus der Broschüre denn auch?« Ich grinste spöttisch.
    »Ich denke schon«, antwortete Helena, während sie langsam zu Joan hinüberging, die am anderen Ende des Saals aufgetaucht war. »Zum Beispiel gehört Joseph zum Dorfrat.«
    Mir blieb der Mund offen stehen. »Joseph?«
    »Wundert dich das?«
    »Ja, allerdings. Er wirkt so …« Ich suchte nach dem richtigen Ausdruck, der erklärte, was ich

Weitere Kostenlose Bücher