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Vermiss mein nicht

Vermiss mein nicht

Titel: Vermiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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Familien ihnen so gern sagen möchten.« Im Gehen fummelte ich an meiner Uhr herum. Am liebsten hätte ich die Zeit zurückgedreht, die unerbittlich weitertickte.
    Jetzt machte Helena die Augen wieder auf, und ich sah, dass sie voller Tränen waren. »So was solltest du gar nicht erst denken, Sandy. Für mich waren deine Worte ein großer Trost. Kannst du dir das nicht vorstellen?« Ihr Gesicht hellte sich auf. »Und heute früh bin ich aufgewacht und
wusste
, dass ich eine Mutter habe, die irgendwo da draußen immer noch an mich denkt. Ich fühle mich geborgen, als wäre ich in eine Zauberdecke gehüllt. Weißt du, du bist nicht die Einzige, deren Lebensfragen beantwortet worden sind. Ich habe jetzt ganz neue Bilder im Kopf, einen ganzen Katalog – und das nach einem einzigen Abend mit dir.«
    Ich nickte nur. Was hätte ich darauf erwidern sollen?
    »Es wird alles gutgehen, ganz sicher. Besser als gut. Wie lange haben wir noch, bis die Leute von der Liste eintrudeln?«
    Ich sah auf meine Uhr. »Anderthalb Stunden.«
    »Und alle werden mit der festen Absicht erscheinen, ihre Schauspielkunst unter Beweis zu stellen, indem sie von einem Balkon nach Romeo schmachten oder uns eine Neuauflage von Steve McQueen in ›Gesprengte Ketten‹ liefern.«
    Ich musste lachen.
    »Was du ihnen sonst noch zu sagen hast, ist der Bonus, eine wunderschöne Dreingabe, ganz egal, wie du es rüberbringst.«
    »Danke, Helena.«
    »Gern geschehen.« Sie tätschelte meinen Arm, und ich bemühte mich, die Sache etwas entspannter zu sehen.
    »Ich hab da aber noch ein Problem«, sagte ich und blickte an mir herunter. »Jetzt lauf ich schon seit Tagen in diesem Jogginganzug hier rum, und allmählich würde ich mich echt gern umziehen. Kann ich mir irgendwas von dir leihen?«
    »Oh, nichts leichter als das, warte hier«, rief Helena, bog abrupt vom Weg ab und eilte auf die Bäume zu.
    »Wo gehst du hin?«
    »Bin gleich wieder da!« Und schon waren ihre kurzen silbernen Haare und ihr wallender zitronengelber Pashminaschal im Wald verschwunden.
    Ungeduldig trat ich von einem Fuß auf den anderen. Wo war sie geblieben? Ich machte mir Sorgen. Ohne Helena war ich verloren. Da entdeckte ich Joseph, der aus dem Wald kam, in der einen Hand ein Bündel Holz, in der anderen eine Axt.
    »Joseph!«, rief ich.
    Er blickte auf und winkte mir mit der Axt, eine Geste, die eigentlich nicht sonderlich herzlich wirkte. Dann kam er auf mich zu. Sein kahler Schädel glänzte wie eine polierte Murmel, seine makellose Haut ließ ihn jünger erscheinen.
    »Alles klar?«, fragte er besorgt.
    »Ich denke schon. Na ja, ich weiß nicht«, stammelte ich verwirrt. »Helena ist gerade im Wald verschwunden und …«
    »Was?« Seine Augen verdunkelten sich.
    »Ich meine natürlich nicht wirklich
verschwunden
, sie ist vor ein paar Minuten in den Wald
gegangen
«, korrigierte ich mich hastig. »Und sie hat mir gesagt, ich soll hier auf sie warten.«
    Er legte die Axt ab und sah zum Wald hinüber. »Sie wird schon zurückkommen, Kipepeo-Mädchen«, versprach er mit sanfter Stimme.
    »Was bedeutet das?«
    »Was bedeutet was?«
    »Dieses Wort.«
    »Das, was du bist«, antwortete er bedächtig, ohne den Blick von den Bäumen abzuwenden.
    »Und das wäre?«
    Bevor er Gelegenheit hatte, meine Frage zu beantworten – was er garantiert sowieso nicht getan hätte –, tauchte Helena tatsächlich wieder auf, ein großes Gepäckstück im Schlepptau. »Schau mal, was ich für dich gefunden habe, Sandy!«, rief sie. Dann sah sie Joseph. »Oh, hallo Schatz, ich dachte doch, dass ich dich mit deiner Axt gehört habe«, begrüßte sie ihn und wandte sich dann wieder an mich. »Auf dem Namensschild steht Barbara Langley aus Ohio. Ich hoffe für dich, dass Barbara aus Ohio lange Beine hat«, grinste sie, stellte mir die Tasche vor die Füße und klopfte sich den Staub von den Händen.
    »Was ist das?«, fragte ich erstaunt, während ich den Gepäckschein am Griff der Reisetasche studierte. »Das Ding sollte vor zwanzig Jahren in New York landen.«
    »Großartig, dann kriegst du einen hübschen Retro-Look«, scherzte Helena.
    »Ich kann doch nicht die Sachen von jemand anderem anziehen«, protestierte ich.
    »Warum nicht? Du wolltest dir doch auch von mir was leihen«, kicherte Helena.
    »Aber dich kenne ich wenigstens!«
    »Ja, aber die Person, die die Sachen vor mir getragen hat, kennst du auch nicht«, neckte sie mich, während wir uns wieder auf den Weg machten. »Komm jetzt, wir müssen

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