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Vermiss mein nicht

Vermiss mein nicht

Titel: Vermiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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ging in die andere Richtung, oder etwa nicht? Leute wie Gregory, meine Eltern und jetzt auch Helena und Joseph vermieden es, sich der Tatsache zu stellen, dass etwas verloren gegangen und nicht mehr zu finden war. Ich sah zu Helena empor, die neben Josephs riesiger Gestalt wie ein Püppchen wirkte. »Ich muss die Uhr finden, unbedingt.«
    »Und das wirst du auch«, erwiderte sie mit einer solchen Selbstverständlichkeit, dass ich ihr glaubte. »Hier findet sich alles wieder. Joseph hat gesagt, er hält die Augen offen, und vielleicht weiß ja auch Bobby irgendwas.«
    »Wer ist denn dieser Bobby, von dem ihr dauernd redet?«, fragte ich, stand aber gehorsam auf.
    »Er arbeitet im Fundbüro«, erklärte Helena und reichte mir die Reisetasche, die ich mitten auf dem Weg hatte stehen lassen.
    »Im Fundbüro?«, wiederholte ich lachend und schüttelte erstaunt den Kopf.
    »So heißt sein Laden, und es wundert mich, dass du noch nicht im Schaufenster gelandet bist«, bemerkte Helena leise.
    »Das verwechselst du wahrscheinlich mit den Etablissements in Amsterdam«, grinste ich.
    »Amsterdam? Was meinst du denn damit?«, entgegnete sie stirnrunzelnd.
    »Helena, du musst noch viel lernen«, meinte ich geheimnisvoll, während ich mir den Staub aus den Kleidern klopfte und die Szene meiner zwanghaften Suche verließ.
    »Ein guter Tipp von einer Frau, die die letzten dreißig Minuten auf Händen und Knien im Dreck gewühlt hat.«
    Wir gingen weiter und ließen Joseph allein, der mitten auf dem Weg stehen geblieben war, die Hände in den Hüften, Holz und Axt neben sich, und unverwandt das staubige Sträßchen beobachtete.
     
    Angezogen wie Barbara Langley aus Ohio, traf ich in der Gemeinschaftshalle ein. Anscheinend waren ihre Beine alles andere als lang. Außerdem hatte sie eine Vorliebe für Miniröcke und Leggings, eine Kombination, die ich lieber gar nicht erst ausprobierte. Die anderen Sachen, die sie leider nicht auf ihrer Reise nach New York hatte tragen können, waren hauptsächlich gestreifte Pullover mit Schulterpolstern, die mir bis an die Ohrläppchen reichten, und Jacken mit Verzierungen in Form von Peace-Zeichen, Yin-Yang-Emblemen, gelben Smileys und amerikanischen Flaggen. Schon beim ersten Durchgang waren mir die Achtziger unsympathisch gewesen, und ich hatte nicht den Drang, sie zu wiederholen.
    Als Helena mich in hautengen Stone-washed-Jeans, die mir bis knapp über die Knöchel reichten, weißen Socken und einem schwarzen T-Shirt mit gelbem Smiley sah, hatte sie herzlich gelacht.
    »Meinst du, Barbara Langley war im
Breakfast Club
?«, fragte ich, während ich aus dem Bad trottete wie ein Kind, das man gezwungen hat, seine normalen Sachen zum Sonntagsessen mit jeder Menge grünem Gemüse gegen ein Kleidchen und Strumpfhosen auszutauschen.
    Helena machte ein verständnisloses Gesicht. »Ich hab keine Ahnung, in welchen Clubs sie war, aber ich sehe manchmal Leute mit solchen Klamotten rumlaufen.«
    Am Ende tat ich etwas, was ich mir nie zugetraut hätte: Ich sammelte auf dem Weg zum Dorf etwas weniger groteske Kleidungsstücke vom Straßenrand auf.
    »Nachher können wir zu Bobby gehen«, versuchte Helena mich aufzuheitern. »Er hat eine riesige Kleidersammlung, aus der du dir was aussuchen kannst. Außerdem gibt es auch ein paar Schneider hier.«
    »Ich nehme mir lieber ein paar Secondhandsachen«, entgegnete ich. »Ich bin hier längst wieder weg, bevor mir jemand was nähen kann.«
    Zu meinem Ärger schnaubte Helena nur verächtlich.
    Die Gemeinschaftshalle war ein prächtiges Gebäude aus Eichenholz mit einer zweiflügligen, sicher dreieinhalb Meter hohen Eingangstür, mit ähnlich kunstvollen Ornamenten wie bei den anderen öffentlichen Gebäuden. Hier gab es überlebensgroße Schnitzarbeiten von Menschen, die sich an den Händen hielten und deren Haare und Gewänder in einem unsichtbaren Wind flatterten. Helena drückte die riesigen Türflügel auf.
    An der Vorderseite des zwölf Meter langen Saals befand sich eine Bühne, an den Seiten und auf der Galerie standen lange Reihen robuster Eichenstühle. Der rote Samtvorhang war offen und wurde rechts und links von einer dicken Goldkordel gehalten. An der Wand hinter der Bühne hing eine große Leinwand mit zahllosen schwarzen Handabdrücken in allen möglichen Größen, stellvertretend für die verschiedenen Altersgruppen vom Baby bis zum Greis. Darüber standen zwei Wörter, in allen möglichen Sprachen: Kraft und Hoffnung. Ein Motto, das ich mehr als gut

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