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Vermiss mein nicht

Vermiss mein nicht

Titel: Vermiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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gesehen oder gehört hat.«
    Joan sah verwirrt aus, Helena wirkte traurig.
    »Sie muss einfach hier sein. Es gab keine verdächtigen Umstände, rein gar nichts«, plapperte ich weiter, mehr zu mir selbst als zu sonst jemandem. »Wenn sie sich nicht versteckt. Oder womöglich im Ausland ist. Um andere Länder hab ich mich nicht gekümmert.«
    »Na gut, Sandy, warum setzt du dich jetzt nicht erst mal hin. Ich hab das Gefühl, du steigerst dich da in etwas rein«, unterbrach Helena meine Grübeleien.
    »Nein, ich steigere mich in gar nichts rein«, widersprach ich und schob ihre beruhigende Hand weg. »Jenny-May versteckt sich bestimmt nicht, und im Ausland kann sie auch nicht sein. Sie ist jetzt in meinem Alter.« Auf einmal sah ich Joan an. »Sie müssen Jenny-May Butler finden! Sagen Sie allen, dass sie in meinem Alter ist, vierunddreißig. Sie ist hier, seit sie zehn war, das weiß ich genau.«
    Fast ängstlich nickte Joan. Helena streckte mir die Hände entgegen, als fürchtete sie, mich anzufassen, wollte aber um keinen Preis den Kontakt abbrechen lassen. Mir fiel auf, wie besorgt die Gesichter der beiden Frauen aussahen. Schnell setzte ich mich und nahm einen Schluck Wasser aus dem Glas, das Helena mir unter die Nase hielt.
    »Ist alles in Ordnung mit ihr?«, hörte ich Joan fragen.
    »Ja, ja, es geht ihr gut«, antwortete Helena gelassen. »Aber sie wollte Jenny-May unbedingt für das Stück haben, also strengen wir uns lieber mal an, sie zu finden, okay?«
    »Aber ich glaube nicht, dass sie hier ist«, flüsterte Joan.
    »Suchen wir sie trotzdem.«
    »Warum stehen eigentlich ausgerechnet diese zwanzig Leute auf der Liste?«, erkundigte sich Joan. »Woher weiß Sandy denn, dass diese Leute gute Schauspieler sind? Als ich sie angesprochen habe, waren die meisten ganz überrascht, weil sie noch nie was mit dem Theater zu tun hatten. Was ist denn mit den anderen, die gerne mitmachen würden? Die dürfen doch auch vorsprechen, oder nicht?«
    »Selbstverständlich. Jeder darf vorsprechen«, versicherte Helena. »Die Leute von der Liste waren einfach nur die erste Wahl für unser Ensemble, weiter nichts.«
     
    Von den rund zweitausend Leuten, die in Irland im Lauf eines Jahres verschwinden, werden fünf bis fünfzehn nicht gefunden. Die zwanzig Leute, die ich ausgewählt hatte, waren diejenigen, die ich suchte, seit ich arbeitete. Andere hatte ich gefunden, wieder andere aufgegeben, weil ihnen etwas zugestoßen war oder weil sie sich aus freien Stücken aus ihrem bisherigen Leben zurückgezogen hatten. Aber die zwanzig Menschen auf meiner Liste waren spurlos und ohne jeden ersichtlichen Grund verschwunden. Diese zwanzig Menschen ließen mir keine Ruhe. Bei ihnen gab es keine verdächtigen Umstände, keinen Tatort und keine Zeugen, die ich befragen konnte.
    Ich dachte an die Familien, denen ich versprochen hatte, die Verschwundenen zu finden, ich dachte an Jack Ruttle und was ich ihm letzte Woche gesagt hatte. Ich dachte daran, dass ich unser Treffen in Glin verpasst und dass ich jetzt schon wieder versagt hatte.
    Denn der Liste zufolge war Donal Ruttle nicht hier.

Vierundzwanzig
    Am Dienstagmorgen, genau zwei Tage, nachdem Sandy nicht zu dem abgesprochenen Termin erschienen war, trat Jack in die frische Luft des Julimorgens hinaus und zog die Tür des Cottages leise hinter sich zu. In der Stadt liefen die Vorbereitungen für das Irish Coffee Festival auf Hochtouren; neben den Telegrafenmasten standen zusammengerollte Banner und warteten darauf, aufgespannt zu werden, und als Bühne für die Bands bei den musikalischen Open-Air-Veranstaltungen hatte man die Ladefläche eines großen Lastwagens ausgeklappt. Doch im Moment war es still im Ort, denn die Menschen lagen noch gemütlich in ihren Betten und träumten von anderen Welten. Als Jack den Motor anließ, um nach Limerick aufzubrechen, weckte er wahrscheinlich die ganze Stadt. Er wollte zu Donals Freund Alan, wo er Sandy anzutreffen hoffte, und außerdem seiner Schwester Judith einen Besuch abstatten.
    Judith stand ihm von allen seinen Geschwistern am nächsten. Sie war acht Jahre älter als Jack, verheiratet, hatte fünf Kinder und war eigentlich schon von dem Augenblick an, als sie selbst strampelnd und schreiend auf die Welt gekommen war, eine Mutter gewesen. An jedem Kind in der Nachbarschaft hatte sie ihr Erziehungstalent geübt, und in der Straße war es ein stehender Witz, dass es in der ganzen Stadt keine Puppe gab, die sich nicht aufrecht hinsetzte und den

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